Die „Weiße Rose“ – Studenten gegen Hitler **

„Ist es nicht eine Tatsache, dass heute jeder anständige Deutsche sich seiner Regierung schämt?“ So fragte ein Flugblatt[1], das im Februar 1943 an der Universität München verteilt wurde. Dahinter standen junge Studenten, die nicht länger die Verbrechen der NS-Regierung tatenlos mit ansehen wollten. Sie waren sogar bereit, im Kampf gegen einen Verbrecher ihr Leben zu opfern.

Die Gruppe nannte sich die „Weiße Rose“[2]. Zu ihr gehörten die Geschwister Hans und Sophie Scholl, Alexander Schmorell, Willi Graf, Christoph Probst und der Professor Kurt Huber [3]. Die Gruppe hatte um sich herum noch zahlreiche Freunde.

Sie alle lehnten den Nazi-Staat ab, weil er den Menschen die Freiheit nahm. Jeder in Deutschland musste so denken und handeln wie die Nazis. Wer nicht gehorchte, kam schließlich in ein Konzentrationslager. Dort wurden die Menschen gequält[4] und häufig auch umgebracht.

Aber die meisten Deutschen wussten nichts davon. Sie jubelten Hitler zu, wie anfangs auch die Geschwister Scholl. Hitler hatte den Millionen Arbeitslosen in Deutschland zu Arbeit und Wohlstand verholfen, und er hatte Deutschland wieder stark und mächtig gemacht.

Bald aber fing Hitler an, die Juden zu verfolgen und zu töten. Und ab 1939 überfiel er ein Land nach dem anderen. Millionen Menschen starben durch diesen Diktator.

Flugblätter gegen Hitler

Die jungen Medizinstudenten empörten sich dagegen. Aber was sollten sie tun? Sie konnten Hitler nicht beseitigen. So begannen sie, Flugblätter gegen ihn zu verbreiten. Mitte 1942 und Anfang 1943 druckten sie einige Flugblätter in einer Auflage von jeweils einigen tausend Exemplaren. Diese sechs verschiedenen Flugblätter verschickten sie mit der Post an Studenten und Unbekannte aus dem Telefonbuch. Darin forderten sie zur Sabotage und zum Sturz Hitlers auf. Sie verlangten Freiheit des Redens und Denkens, Demokratie und mehr Lohn für die schlechter Verdienenden.

Die meisten Mitglieder der „Weißen Rose“ waren zunächst Idealisten[5]. Aber sie suchten leidenschaftlich nach Gott. Sophie Scholl schrieb 1942: „Ich bin Gott noch so fern, dass ich ihn nicht einmal im Gebet spüre. Doch ich will mich an das Seil klammern, das mir Gott in Jesus Christus zugeworfen hat“. Und ihr Bruder sagte im gleichen Jahr: „Welche Kraft habe ich im Beten gefunden! Endlich weiß ich, an welcher immer fließenden Quelle ich meinen fürchterlichen Durst löschen kann“.

Zum Tode verurteilt

Anfang 1943 hatten die Studenten in München nachts mehrmals an viele Häuserwände Sätze gemalt wie „Nieder mit Hitler“ und „Es lebe die Freiheit“. Viele lasen diese Worte, die Bevölkerung wurde unruhig. Kurz vorher war die deutsche Armee bei Stalingrad von den Russen besiegt worden.

Am 18. Februar 1943 verteilten die beiden Scholls vormittags im Treppenhaus der Münchener Universität hunderte von Exemplaren des sechsten Flugblatts. Dabei wurden sie beobachtet und verhaftet. Vier Tage später wurden sie bereits zum Tode verurteilt, und noch am gleichen Tag starben sie durch das Fallbeil. Die anderen vier Mitglieder der „Weißen Rose“ wurden ebenfalls in den nächsten Monaten hingerichtet.

Die jungen Menschen gingen alle ruhig und gläubig in den Tod. Sie wussten, so jung sie waren[6], wofür sie starben und glaubten, dass sie sich in der Gegenwart Gottes wieder sehen würden. Die beiden Scholls nahmen vor ihrer Hinrichtung das Abendmahl. Als Sophie sich von ihrer Mutter verabschiedete, sagte diese zu ihr: „Nicht wahr, Sophie, denke an Jesus, er nimmt dich jetzt zu sich“. „Aber vertraue auch du auf ihn“, antwortete ihr Sophie.[7]

Hans Misdorf

[1] das Flugblatt: in bedrucktes Blatt Papier, das bei einem aktuellen Anlass kostenlos verteilt wird und Informationen liefert, z.B. zu politischen Aktionen auffordert
[2] Der Name wurde ohne tiefere Bedeutung als Deckname der Gruppe gewählt.
[3] Hans Scholl war der Anführer der Gruppe und Willi Graf zunächst der einzige gläubige Christ unter ihnen.
[4] quälen: bewirken, dass jemand körperliche Schmerzen hat
[5] der Idealist: jmd., der selbstlos, dabei aber auch die Wirklichkeit etwas außer Acht lassend, nach der Verwirklichung bestimmter Ideale strebt
[6] Hans war 24 als er starb, Sophie 21 Jahre alt.
[7] Diese Studenten waren bereit, für eine „erfolglose“ Sache zu sterben. Sie wussten, dass sie Hitler nicht stürzen konnten. Aber Gott fragt nicht nach unserem „Erfolg“ im Leben. Er fragt nach unserer Hingabe, unserem Opfer für ihn und unsere Mitmenschen – ganz gleich, wie viel Erfolg wir dabei haben.