Musik des 20. Jahrhunderts

I) Komponierte Musik des 20. Jahrhunderts

Die schnelle Entwicklung der Nachrichten-Übermittlung und der Reisemöglichkeiten in unserem Jahrhundert blieben auch für die Kunstformen nicht ohne Auswirkung. Wir beobachten in der Fortführung der „klassischen“ (auch „komponierten“ oder „ernsten“) Musik ähnliche Entwicklungen in vielen europäischen Ländern und in den USA. Typische nationale Ausprägungen sind nicht mehr feststellbar. Dafür gibt es seit den sechziger Jahren Einflüsse aus arabischer, afrikanischer und asiatischer Musik. Im folgenden Abschnitt können nur einige wenige bedeutende Komponisten erwähnt werden.

Der Österreicher Arnold Schönberg entdeckte 1921 eine neue Methode des Komponierens. An Stelle herkömmlicher Klanggesetze gebrauchte er eine rechnerische Technik: die „12-Ton-Reihe“. Mit seinen Schülern Alban Berg und Anton Webern steht er damit für eine ganze Richtung der Musik. Der Deutsche Paul Hindemith wurde unter anderem mit seinem Lehrbuch „Unterweisung im Tonsatz“ berühmt. Darin beschreibt er seine Theorie der Zusammenklänge auf der Grundlage der gleichberechtigten 12 Töne unserer Tonleiter. Der Name Carl Orff (in München geboren) ist mit seiner Musiklehre für Kinder verbunden. Sein bekanntestes Orchester-Stück ist Carmina Burana. Kurt Weill lebte zunächst in Dessau (Deutschland) und später in New York (USA) und hatte mit seiner Musik hauptsächlich die Sozialkritik zum Ziel. Das kleine Gesamtwerk des Amerikaners Edgar Varèse strahlt eine außergewöhnliche musikalische Kraft und Energie aus. Schon in den dreißiger Jahren experimentierte er mit elektronischer Klangerzeugung in seinen Kompositionen. Der Franzose Olivier Messiaen studierte Vogelgesänge als Vorbilder für seine Stücke und hat vor allem durch den Gebrauch komplizierter Rhythmik großen Einfluß auf späterere Komponisten gehabt. Paul Schaeffer in Paris und Karlheinz Stockhausen in Köln nahmen Umweltgeräusche auf Tonträger auf und veränderten den Klang elektronisch. Der Ungar György Ligeti interessierte sich besonders für „Klangflächen“, die für ihn wichtiger waren als der einzelne Ton.

Ab der Mitte unseres Jahrhunderts gingen immer mehr Komponisten dazu über, „grafische Notationen“ (siehe Abbildung) anstelle der Notenschrift zu gebrauchen. Diese Zeichnungen lassen dem spielenden Musiker mehr Freiheit – er kann selbst bestimmen, welche Töne er spielt. Diese Entwicklung trieb der Amerikaner John Cage auf die Spitze, indem er „Zufallsmusik“ schrieb, für deren Aufführung er manchmal keine Musiker, sondern Tonbänder oder Radiogeräte benötigte.

II) Portrait des deutschen Komponisten Karlheinz Stockhausen

Karlheinz Stockhausen, der 1998 seinen 70. Geburtstag feierte, nimmt eine wichtige Stellung unter den Komponisten des 20. Jahrhunderts ein. Seine Werke sind teilweise von enormer Länge und müssen mit riesigen Besetzungen gespielt werden. An seinem bisher größten Stück „Licht“ für mehrere Orchester, Chöre und Elektronik schreibt er schon seit 1977. Einzelne Teile aus dieser Opernreihe wurden bereits aufgeführt. Die größte Bedeutung von Stockhausen, der täglich 16 bis 18 Stunden arbeitet, liegt in seiner Erforschung elektronischer Klangerzeugung. Was Varèse noch vorsichtig einsetzte, gebrauchte er jahrelang ausschließlich. Im elektronischen Studio des WDR (Westdeutscher Rundfunk), einem großen Radiosender in Köln, nahm er in den fünfziger Jahren gezielt Geräusche auf Schallplatten und Tonbänder auf und gebrauchte Effektgeräte, um neue Klänge künstlich herzustellen. Damit eröffnete er der komponierten Musik, die an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gestoßen war, neue Möglichkeiten jenseits dessen, was von Menschen auf Musikinstrumenten gespielt werden kann. Während ein großer Teil der zeitgenössischen klassischen Musiker, Dirigenten (zum Beispiel Karajan) und Kritiker Stockhausen ablehnten, fand er großes Interesse bei Musikern der populären Musik. So wollte John Lennon, einer der Ex-Beatles, ein Konzert mit ihm veranstalten. Der Synthesizer, der heute nicht mehr aus der Pop-Musik wegzudenken ist, geht auf Stockhausens Forschung zurück, und eine der neuesten Richtungen beruft sich ganz auf ihn: Techno, eine völlig elektronische Musik, zu der bei extremen Lautstärken getanzt wird.

Daniel Ziegler