1997 gedachten wir des 200. Geburtstags des deutschen Dichters Heinrich Heine (1797-1856). Heine ist im Ausland bekannter als in Deutschland; denn es gab Zeiten, in denen viele Deutsche Heine wegen seiner politischen Überzeugungen ablehnten, aber auch deshalb, weil er Jude war.
Ein Romantiker am Bankschalter
Heinrich Heine wurde 1797 in Düsseldorf am Rhein geboren. Dort war sein Vater Kaufmann. Heine liebte seine Eltern sehr.
Nach seiner Schulzeit lernte er bei einem reichen Onkel in Hamburg, der eine Bank besaß. Aber der Beruf des Bankkaufmanns gefiel ihm nicht. Viel lieber schrieb er Gedichte.
In Bonn und Göttingen studierte Heine dann Rechtswissenschaft. Er wollte später einmal einen Beruf im Dienst des Staates ausüben. Während des Studiums trat er vom jüdischen zum christlichen Glauben über und ließ sich taufen. Er tat das aber nur, weil er hoffte, als Christ eher eine Anstellung beim Staat zu bekommen, als wenn er Jude wäre.
Jedoch auch als Christ fand Heine in Deutschland beim Staat keine Anstellung. Das lag auch daran, weil er an den staatlichen Verhältnissen in Deutschland Kritik übte.
Ein großer Dichter
Einerseits war Heine ein Dichter. Er schrieb sehr schöne, schlichte Gedichte. Nicht wenige von ihnen wurden vertont und zu deutschen Volksliedern, z.B. „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten…“.
Damals war die Zeit der Romantik. Man betonte das Gefühl, die Phantasie. So handeln auch Heines Gedichte oft von Liebe und von schönen, edlen Gefühlen. Man sieht das zum Beispiel an folgendem Gedicht an ein Mädchen:
Du bist wie eine Blume,
so hold und schön und rein.
Ich schau dich an, und Wehmut
schleicht mir ins Herz hinein.
Mir ist, als ob ich die Hände
aufs Haupt dir legen sollt,
betend, daß Gott dich erhalte
so rein und schön und hold.
Ein Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit
Andrerseits war Heine jedoch auch ein Kämpfer für Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit und für Brot für alle Hungernden.
Damals hatten die Fürsten, der Adel und die reichen Fabrikanten viel mehr Besitz und sehr viel mehr politische Rechte als das gewöhnliche Volk. Heine griff die Aristokraten deshalb in seinen Schriften scharf an, z.B. in seinen Reisebeschreibungen. Er forderte gleiches Recht für alle Menschen. Manchmal übertrieb er auch dabei und wurde verletzend und ungerecht. Er verspottete in geistvoller und ironischer Weise alles Unnatürliche und Unechte im Zusammenleben der Menschen.
Die Kirchen unterstützten zu Heines Zeit oft den Adel und die Reichen. Sie kümmerten sich nicht darum, daß in den Städten Millionen von Fabrikarbeitern große Not litten. Viele Geistliche predigten so von Gott, als wenn Gott ein Freund der Reichen wäre; was aber nicht stimmt; denn Jesus war ein Freund der Armen und nicht der Reichen.
Deshalb griff Heine auch die Kirchen an. Er kritisierte und verspottete sogar Gott, so wie die Kirchen Gott predigten: als einen Freund der Reichen.
Deutschland wird Heine zu eng
Schließlich wurde Heine das Leben in Deutschland zu eng. Seine Schriften wurden zensiert oder verboten; ihm selbst drohte Verhaftung. Deshalb übersiedelte er 1831 nach Paris. In Frankreich herrschte damals mehr Freiheit als in Deutschland.
Hier bemühte sich Heine in seinen Schriften um eine Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland. Auch wenn er Deutschland manchmal fast haßte – insgeheim liebte er es zeitlebens. Das zeigt z. B. folgendes Gedicht:
Ich hatte einst ein schönes Vaterland.
Der Eichenbaum
wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft –
es war ein Traum.
Das küßte mich auch deutsch und sprach auf deutsch
(man glaubt es kaum,
wie gut es klang) das Wort: „Ich liebe dich“ –
es war ein Traum.
Ein Leben in Paris
In Paris heiratete der Dichter Mathilde, eine junge Französin. Sie war ein einfaches Mädchen ohne besondere Bildung. So viele Liebschaften Heine vorher auch gehabt hatte – von jetzt an hing er treu und mit großer Liebe an seiner Frau. Heine lernte in Paris auch Karl Marx kennen und schätzen.
Heinrich Heine liebte und genoß das Leben. Er war selbstbewußt und auch etwas eitel. Er war nie sehr reich. Er hatte aber durch seine Bücher und seinen Onkel in Hamburg immer genug Geld zum Leben.
Von schwerer Krankheit gezeichnet
Doch etwa von Heines 35. Lebensjahr an zeigte sich bei ihm eine schwere Krankheit, eine Rückenmarktuberkulose. Dadurch wurde sein Körper immer mehr gelähmt. Seine letzten Lebensjahre mußte er völlig bewegungsunfähig im Bett liegen, in seiner „Matratzengruft“. Er war fast blind und litt oft große Schmerzen. Aber sein Geist war bis zu seinem Tod wach und lebendig.
Zwar hielt es Heine sein Leben lang für richtig, für Demokratie und Menschenrechte zu kämpfen. Aber am Ende seines Lebens zweifelte er häufig an einem Fortschritt in der Menschheit. Und sehen wir nicht heute, wie recht er hatte? Durch die große Freiheit, die die Menschen bis heute überall in der Welt gewonnen haben, werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Drogenmißbrauch und Anarchie nehmen immer mehr zu. Der Mensch kann eben nicht aus eigener Kraft sich und die Menschheit glücklich machen. Dazu braucht er Gott.
Rückkehr zu Gott
So kehrte auch Heine in seinen letzten Lebensjahren zu Gott zurück. Er sagte: „Ich bin aus dem Unglauben zu Gott zurückgekommen. Ich glaube jetzt an einen persönlichen Gott, der gütig, weise und gerecht ist. Ich weiß: wenn ich sterbe, haben meine Leiden ein Ende. Ich gehe dann zu Gott, der mir viel Freude schenken wird.“
Am Ende seines Lebens ließ Heine sich viel aus der Bibel vorlesen und aus den Büchern eines frommen deutschen Theologen. Von Zeitungen wollte er nichts mehr wissen. Er starb im Frieden mit Gott. In Paris liegt er begraben.
Hans Misdorf