Aus Literatur und Kultur: Günter Grass

Günter Grass erhielt 1999 den Nobelpreis für Literatur. Der Schriftsteller und Grafiker ist damit nach Thomas Mann (1929) und Heinrich Böll (1972) der dritte deutsche Autor, dem diese hohe Auszeichnung zuerkannt wird. Wie alle anderen Nobelpreise wird der Literaturpreis jährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896), überreicht.

Kurzbiografie

Günter Grass

Einige seiner Werke wie zum Beispiel „Die Plebejer proben den Aufstand“ (1966), sind von Grass’ politischem Engagement für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) geprägt. Mit dem Roman „Der Butt“ unterstreicht er 1977 seinen internationalen Ruf als Epiker. 1989 tritt er aus der Akademie der Künste in Berlin aus, weil diese aus Sicherheitsgründen eine Veranstaltung für Salman Rushdie verweigert hatte. Weitere bedeutende Werke von Günter Grass sind „Die Rättin“ (1986) und der Roman „Ein weites Feld“ (1995), der in Berlin spielt und sich mit der Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands beschäftigt. 1999 erscheint „Mein Jahrhundert“, worin er für jedes Jahr dieses Jahrhunderts eine Geschichte setzt, die jeweils ihren eigenen Erzähler hat.

Am 16. Oktober 1927 wird Grass in Danzig (heute Polen) als Sohn einer kaufmännischen Familie geboren. Er wird Hitler-Junge, sammelt Erfahrungen mit katholisch-christlichem Glauben und wird 1944 zum Militär einberufen. 1946 ist er in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Er absolviert 1947/48 eine Steinmetzlehre in Düsseldorf und studiert von 1948 bis 1956 in Düsseldorf und Berlin Grafik und Bildhauerei. Ab 1957 stellt Grass eigene Kunstwerke aus und veröffentlicht erste Gedichte und Theaterstücke. Mit der Veröffentlichung des Romans Die Blechtrommel“ (1959) beginnt Grass seine „Danziger Trilogie“, die neben „Die Blechtrommel“ noch „Katz und Maus“ (1961) und „Hundejahre“ (1963) umfaßt.

Die Blechtrommel

Dieser Roman hat Grass’ Weltruhm begründet und schockiert damals wie heute mit seiner kraftvollen Sprache viele Leser und Fachleute. „Die Blechtrommel“ ist gleichzeitig ein geschichtlicher wie ein fantastischer Roman. Der Autor gebraucht spielerische Wortbildungen, viele Fachsprachen und zahlreiche Anspielungen auf die Bibel in seinem Buch, das die ersten 30 Jahre seines Lebens leicht verändert spiegelt.

Die Hauptfigur Oskar besitzt schon bei der Geburt den Verstand eines Erwachsenen und beschließt mit drei Jahren, nicht mehr weiter zu wachsen. Damit weigert Oskar sich, die Größe und Verantwortung eines Erwachsenen zu übernehmen. Aus diesem Blickwinkel beschreibt er Begebenheiten aus seinem Leben in Danzig und Düsseldorf. Das Buch umfaßt den Zeitraum von 1899 bis 1954, das heißt von der Zeugung der Mutter Oskars bis zu seinem 30. Geburtstag, den er in einer Pflegeanstalt begeht. Die Figuren in Grass’ Romanen haben fast alle einen Hang zum Bösen, auch wenn sie versuchen, der christlichen Ethik gerecht zu werden. Das beste Beispiel dafür ist Oskars Mutter Agnes: Jeden Samstag geht sie in die Kirche und beichtet. Währenddessen denkt sie schon an den nächsten Ehebruch mit ihrem Vetter Jan Bronski.

Oskar, der von Anfang an mit dem Teufel im Bunde steht, täuscht durch Bettnässen und angeblich fehlender Lesefähigkeit den Unwissenden, Dummen vor und hat in seiner Danziger Zeit zwei Erkennungszeichen: Die Blechtrommel und seine Stimme. Wenn Oskar kreischt, zerspringt Glas – Stimme und Trommel sind seine Machtmittel gegen die Erwachsenen und gegen Gott. Durch den ganzen Roman zieht sich der Satz: „Oskar ist Jesus“. Biblische Anspielungen kommen in mehreren Kapiteln vor. Auch äfft Oskar Jesus mehrfach nach.

Günter Grass schildert in „Die Blechtrommel“ eine Menge sündiger Verhaltensweisen. Und auch wenn die Menschen sich manchmal besser darstellen wollen, so sieht Gott doch das Herz eines jeden einzelnen an. Nach christlicher Lehre hat dieses Verhalten seinen Ursprung in der grundsätzlichen Trennung von Gott. Erst durch den Tod Jesu kann diese Trennung aufgehoben werden. Bei Grass ist dieser Erlösungsweg verbaut. Jesus wird durch Oskar entmachtet. Entsprechend ausweglos ist das Schicksal der einzelnen Figuren.

Daniel Ziegler