Vor 150 Jahren wurde Gerhart Hauptmann geboren (1862 bis 1946). Er war einer der bedeutendsten deutschen Dramatiker[1] und weltberühmt.
1892 wurde in Berlin sein wohl bekanntestes Schauspiel „Die Weber“ aufgeführt. Es war zunächst von der Zensur[2] verboten worden, da es „zum Klassenkampf[3] auffordere“. Dem Stück liegt der Aufstand der Weber 1844 in Schlesien zugrunde, der von preußischem Militär blutig unterdrückt wurde.
G. Hauptmann schildert lebendig und naturgetreu, wie die hungernden Weber sich gegen ihre Fabrikherren[4] erheben, die sie ausbeuten. Das Stück endet im Kampf zwischen den wütenden Webern und dem angreifenden Militär und schließt so mit einer bitteren Anklage.
Die „Weber“ sind typisch für Hauptmanns Dramen[5]. Man nennt die Zeit von etwa 1880 bis 1910 die Zeit des „Naturalismus“. In allen Jahrhunderten vorher waren die in den Dramen dargestellten Menschen mehr oder weniger von christlichen oder humanistischen Idealen[6] beherrscht. Die aktiv handelnden Menschen siegten oder unterlagen an irgendwelchen „Werten“.
Jetzt, in der Zeit des Naturalismus, war das allgemeine Denken vielfach diesseitig, materialistisch geworden. Die in der Literatur dargestellten Personen handeln deshalb nicht mehr nach irgendwelchen Idealen oder Werten, sondern sie sind mehr oder weniger passiv ihren Trieben[7] und Leidenschaften ausgeliefert und werden von ihren Anlagen und ihrer Umwelt gesteuert.
So werden die Weber von ihrer Not getrieben. In Hauptmanns erstem Drama „Vor Sonnenaufgang“ nimmt eine tapfere Bauerntochter, die von ihrem Verlobten verlassen wird, sich das Leben. In „Fuhrmann Henschel“ wird ein zuverlässiger, ehrlicher Mann von seiner rohen Frau in den Tod getrieben. In „Rose Bernd“ wird ein blühendes junges Mädchen verführt und dadurch zur Kindesmörderin.
Parallel zum Naturalismus gab es die entgegengesetzte Zeitströmung der „Neuromantik[8]“ mit ihrer Traum-, Märchen- und Jenseitswelt[9]. Auch in diesem Stil hat Hauptmann gedichtet. In „Hanneles Himmelfahrt“ zum Beispiel erlebt ein armes, misshandeltes Mädchen in ihren Fieberphantasien auf dem Sterbebett, wie in der Person ihres verehrten Lehrers der Heiland Christus sie aus aller Not in die himmlische Herrlichkeit[10] führt.
Hauptmann hat auch im Stil der Klassik (Goethezeit) Dramen aus der griechischen Götter- und Sagenwelt geschrieben. Im „Biberpelz“ hat er eine köstliche Komödie geschaffen. Mit dieser Vielfalt an Literaturstilen zeigt Gerhard Hauptmann, dass er sehr produktiv und anpassungsfähig war.
Hauptmann lebte häufig wechselnd in seiner schlesischen Heimat, in Berlin und auf der Ostseeinsel Hiddensee. Von seiner ersten Frau und seinen Kindern trennte er sich und heiratete eine andere.
Er bekam viele Ehrungen, darunter 1912 den Nobelpreis. Er reiste viel, so auch 1932 in die USA, wo er als Vertreter des deutschen Geistes und der deutschen Republik gefeiert wurde.
Hauptmann stand der Sozialdemokratie nahe. Er war ein Gegner der Nazis und wurde von ihnen mehr geduldet als geehrt. Als sie 1933 an die Macht kamen, zog er sich in seine schlesische Heimat zurück, wo er recht zurückgezogen lebte.
Hauptmann schrieb seine Dramen aus christlichem Mitleidsgefühl heraus. Wie kein anderer deutscher Schriftsteller beschrieb er die Not der sozial Unterdrückten und der in ihren Trieben und den Einflüssen ihrer Umwelt Gefangenen. So stellt er zwar in seinen Dramen im naturalistischen Sinn nur die nackte, oft schlimme Wirklichkeit dar, ohne Andeutung einer göttlichen Ordnung hinter den Dingen. Aber sein Mitleidsgefühl mit den Leidenden zeigt, dass auch er um Werte, um Ideale wusste. Oft siegt in seinen Dramen das Schlimme. Aber ab und zu bricht bei ihm doch die Hoffnung auf eine neue, bessere Welt durch.
Christen wissen allerdings, dass nur Gott diese Welt ohne alles Leid und ohne den Tod schaffen kann und schaffen wird. Die Bibel sagt: „Gott wird einmal abwischen alle Tränen von den Augen der Menschen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Qual noch Schmerz wird mehr sein“ (Offenbarung 21 Vers 4).
Hans Misdorf
[1] Schauspieldichter
[2] Staatliche Prüfbehörde
[3] Kampf der Arbeiter gegen die Fabrikbesitzer und Reichen
[4] Fabrikbesitzer
[5] Schauspiele
[6] gute, vollkommene Forderungen
[7] z. B. Hunger, Machtgier, Sexualität
[8] ähnlich der Kunst- und Literaturepoche der Romantik 1800 bis 1830
[9] die unsichtbare Welt hinter der sichtbaren
[10] Pracht, Schönheit