In diesem Jahr gedenken wir des 450. Todestages von Philipp Melanchthon (1497-1560). Er war Luthers engster und erfolgreichster Mitarbeiter. Ohne ihn hätte sich die Reformation sicher nicht so weit verbreitet.
Dabei waren Luther und er die größten Gegensätze. Luther war eine prophetische Kämpfernatur, voll Eifer für Gott und sein Wort, voll großen Gottvertrauens. Organisieren lag ihm nicht. Melanchthon dagegen war friedliebend, etwas ängstlich, bescheiden. Aber er war glänzend begabt, konnte gut organisieren, war damit der geborene Lehrer.
So haben sich die beiden gut ergänzt. Luther war Melanchthon lebenslang in Freundschaft verbunden. Er wusste, was für einen wertvollen Mitarbeiter er an ihm hatte. Wir dürfen deshalb in der Zusammenarbeit beider eine Fügung[1] Gottes sehen.
Melanchthon war, wie viele damalige Gelehrte, Humanist. Man entdeckte damals die Antike neu. Man las begeistert die alten römischen und griechischen heidnischen Schriftsteller. Trotzdem blieb Melanchthon gläubiger Christ.
Melanchthon wurde in dem Städtchen Bretten in der Pfalz (Westdeutschland) geboren. Sein Familienname war „Schwarzert“ (schwarze Erde). Aber wie viele Humanisten übersetzte er seinen Namen in die alten Sprachen und nannte sich auf griechisch „Melanchthon“.
Bereits mit 19 Jahren wurde er Professor in Tübingen und gab seine ersten Bücher heraus. Seine griechische Grammatik wurde lange in den Schulen benutzt.
1518 wurde Melanchthon Professor für die griechische Sprache in Wittenberg. Dort hatte Luther 1517 mit seinem Thesenanschlag die Reformation der Kirche begonnen. Unter Luthers Einfluss wandte sich Melanchthon jetzt eifrig der Bibel und der Theologie zu.
Bald wuchs sein Einfluss. Er vertat Luther dieser auswärts war. Er wurde Luthers wichtigster Helfer bei der Bibelübersetzung. Er schrieb die wichtigsten Lehrbücher (Dogmatiken) des evangelischen Glaubens. So besonders die „Loci communes“, die „Hauptpunkte der Glaubenslehre“.
Luther sorgte dafür, dass Melanchthon in Wittenberg ein eigenes Haus bekam. Er heiratete und gründete eine Familie.
Bald begann Luthers Landesherr, der sächsische Kurfürst, und andere evangelische Fürsten, in ihren Kirchengemeinden und der Kirche ihres Landes geordnete Verhältnisse herzustellen. Vielfach waren die Kirchengemeinden verwahrlost. Melanchthon schrieb dafür die „Anweisung für die Visitatoren[2]„. Er verfasste Schriften zur Neuordnung der Kirche, der Schulen, der Universitäten. Überall befolgte man seine Vorschläge. Man nennt Melanchthon deshalb auch den „Praeceptor Germaniae“, den „Lehrer Deutschlands“.
Melanchthon kam auf seinen Reisen einmal zusammen mit Luther an die Elbe, als der Fluss hoch angeschwollen und über die Ufer getreten war. Würden sie die Überfahrt in dem gebrechlichen, schwankenden Kahn schaffen? „Steige nicht ein, Martin“, sagte Melanchthon, „die Sterne sind gegen uns“. Aber Luther entgegnete: „Als Christen sind wir auch Herren über die Gestirne“. Luther lehnte zu Recht das Befragen der Sterne ab.
1540 wurde Melanchthon auf einer Reise todkrank. Luther eilte zu ihm. In einem inbrünstigen[3] langen Gebet zu Gott holte er Melanchthon vom Tod ins Leben zurück.
Nach Luthers Tod 1546 wurde Melanchthon der Anführer des (lutherischen) Protestantismus. Aber er wurde jetzt vielfach von übereifrigen Schülern Luthers angegriffen. Er hatte nämlich allmählich Luthers biblische Erkenntnisse in manchen Punkten in unguter Weise etwas verändert und abgeschwächt.
Der friedliebende, auf Einheit der Kirche bedachte Melanchthon litt sehr unter diesen Angriffen. Er begrüßte deshalb seinen Tod als Erlöser von der „Wut der Theologen“.
Allein durch Christus, durch seine Erlösung kommen wir zu Gott (Johannes 14,6). Alle anderen Fragen sollten und dürfen Christen nicht voneinander trennen.
Hans Misdorf
Der Artikel erschien in „Der Weg“ 3/2010
[1] eine Absicht
[2] die Beamten, die die Kirchengemeinden kontrollierten
[3] von Herzen kommend