Dietrich Bonhoeffer (1906-1945)

Widerstandskämpfer aus christlicher Überzeugung

Zum 100. Geburtstag am 4. Februar 2006

Im März 1943 fanden zwei Attentate auf Hitler statt, die jedoch beide misslangen.

Das 1. Attentat: Am 13. 3. schmuggelten deutsche Wehrmachtsoffiziere ein Päckchen mit zwei Zeitbomben in Hitlers Flugzeug. Ein Verwandter Bonhoeffers hatte den Sprengstoff in Berlin besorgt und in Bonhoeffers Auto zum Bahnhof befördert und dann zusammen mit General Canaris nach Smolensk geschafft, von wo Hitler nach einem Besuch bei der Armeeführung nach Deutschland zurück fliegen wollte. Doch die Zündung versagte, das Flugzeug stürzte nicht ab.

Das 2. Attentat: Eine Woche später wollte sich Generalmajor von Gersdorff während der Besichtigung russischer Beutekunst in einem Berliner Museum Hitler mit Handgranaten in der Manteltasche nähern und sich selbst und Hitler in die Luft sprengen. Doch Hitler verließ das Museum entgegen der offiziellen Planung bereits nach wenigen Minuten.

Obwohl beide Attentate nicht aufgeklärt wurden, gerieten Bonhoeffer und seine Freunde verschärft unter Verdacht bei der Gestapo. Die Spitzel waren erfolgreich: Bonhoeffers unmittelbarer Vorgesetzter stolperte über ein Devisenvergehen, und im Zug dieser Ermittlungen wurde auch Bonhoeffer am 5.April 1943 verhaftet und in das Berliner Militärgefängnis gebracht.

Die Isolationshaft in einer winzigen Zelle versetzte Bonhoeffer einen riesigen Schock. Kein Mensch sprach mit ihm in den ersten zwei Wochen, kein Brief, kein Besuch, keine Andeutung über den konkreten Grund seiner Verhaftung, keine Andeutung, worauf er sich einzustellen hatte. Dazu die bange Ungewissheit über das Schicksal seiner Familie und Freunde. Waren der Gestapo die Dokumente in die Hände gekommen über den Aufbau eines alternativen deutschen Staates nach dem Sturz der Hitlerdiktatur und über den Beitrag der christlichen Kirchen zu einer neuen Gesellschaftsordnung nach dem Krieg? Allein der Gedanke an ein Deutschland ohne Nazis und an ein baldiges Kriegsende galt als Hochverrat. Als die strengen Haftbedingungen nach Monaten etwas gelockert wurden, brachten Angehörige ihm seine Bibel und Bücher, in denen alle 10 Seiten, von hinten beginnend, ein einzelner Buchstabe fast unsichtbar mit einem Bleistiftpunkt versehen war. So ließen sich exakte Botschaften austauschen. Zu bestimmten Zeiten konnte sich Bonhoeffer im Krankenrevier aufhalten, diese Zeiten nutzte er für Gespräche über Glaubensfragen mit anderen Häftlingen. Ein italienischer Offizier, der überlebte, sagte über Bonhoeffer Folgendes: „Manche sagten, dass Bonhoeffer eiserne Nerven hatte. Aber ich denke, er hatte eine so feste Hoffnung, dass Gott durch Christus alles wiederbringen wird, alles vollenden wird, dass nichts verloren gehen wird. Deswegen war er so ruhig. In seiner Anwesenheit war es unmöglich, feige zu sein. Man war sozusagen gezwungen, sich würdig zu benehmen.“

Studieren, lesen, schreiben, beten, so erhält sich der Häftling Bonhoeffer geistige Frische und einen inneren Freiraum und versucht, sich vom tristen Alltag in Zelle Nr.92 – einem Raum von 2x3m – abzulenken. „Wer bin ichV, fragt Bonhoeffer in einem Gedicht:

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und feste
wie ein Gutsherr aus seinem Schloss.

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig, lächelnd und stolz,
wie einer , der Siegen gewohnt ist.

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge.
Ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen.

Wer bin ich? Der oder jener?
Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer?
Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler
und vor mir selbst ein verächtlicher Schwächling?
Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,
das in Unordnung weicht vor schon gewonnenen Sieg?

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott.

Nach dem missglückten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 fiel der Gestapo neues brisantes Material in die Hände: Tagebücher des Admiral Canaris, Protokolle und eine umfangreiche Korrespondenz von Bonhoeffer mit britischen Regierungsstellen über Pläne zur Beseitigung Hitlers.

Nun war Bonhoeffer ein Todeskandidat. Am 7.Februar 1945 wird Bonhoeffer ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht- in eine feuchte unterirdische Zelle für prominente Häftlinge außerhalb des Lagers. Einer der Mithäftlinge, der englische Fliegeroffizier Payne Best, der überlebte, berichtete später von Bonhoeffers unerschütterlicher Gelassenheit: „Immer bewies Bonhoeffer Haltung. Er war ganz Bescheidenheit und Freundlichkeit und verbreitete um sich eine Atmosphäre von Dankbarkeit, dass wir leben.“

Als sich die Amerikaner Buchenwald nähern, wird ein Transport mit prominenten Häftlingen zusammengestellt und auf einem Lastwagen nach Bayern geschafft. Die Wachmannschaft ist verunsichert, der Transport wird von Ort zu Ort verladen, mitleidige Dorfbewohner bringen den Häftlingen in manchen Orten sogar ein Stück Brot. Bonhoeffer äußert die Hoffnung, dass man der schlimmsten Gefahr wohl bald entronnen sei. Doch dann kommt aus dem Führerhauptquartier der Befehl, die Gruppe um Canaris zu liquidieren. Bonhoeffer wird zur Hinrichtung abgeholt, als er am Sonntag, dem 8.April 1945, in einem Schulgebäude für seine Mithäftlinge gerade eine Andacht hält. Payne Best gab später zu Protokoll: „Bonhoeffer habe während dieser von den Mithäftlingen gewünschten Andacht auf eine Weise gesprochen, die allen zu Herzen ging. Er fand genau die richtigen Worte, um der Stimmung unserer Gefangenschaft Ausdruck zu verleihen… Kaum hatte er das Schlussgebet beendet, da öffnete sich die Tür und zwei übel aussehende Männer in Zivil traten ein und sagten: Gefangener Bonhoeffer fertig machen, mitkommen. Das Wort mitkommen hatte unter den Gefangenen nur eine Bedeutung – das Schafott… Bonhoeffer verabschiedete sich von mir mit den Worten. Dies ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens.“

Bonhoeffer :“ Einige Glaubenssätze über das Walten Gottes in der Geschichte“

„Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein. Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten. Ich glaube, dass Gott… auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.“