Das Unbewußte
Wir können körperlich gesund und doch krank sein. Zum Beispiel Magenschmerzen oder Herzstörungen haben, oder unter Depressionen leiden, unter Ängsten, Süchten, Zwangs-handlungen. Dann ist unsere Seele krank. Die Seele als Krankheitsursache entdeckt zu haben ist das Verdienst von Sigmund Freud.
Freud wurde 1856, also vor 150 Jahren, in Freiberg in der heutigen Slowakei geboren. Das Land gehörte damals zur österreichisch-ungarischen Monarchie. Seine Eltern waren Juden. Freud fühlte sich geistig immer als Deutscher, bis in Deutschland der Antisemitismus mächtig wurde.
Er heiratete eine deutsche Jüdin, mit der er sechs Kinder hatte. Die Ehe war gut. Trotz seiner revolutionären Entdeckungen war Freud in seinem Lebensstil konservativ.
Freud wurde Arzt in Wien. Durch Behandlung seelisch Kranker fand er heraus: Wenn diese Kranken spontan alles sagen konnten, was ihnen zu wichtigen Dingen einfiel, z.B. ihren Eltern oder einem wichtigen Ereignis, dann wurden dadurch seelische Störungen bei ihnen erkennbar. Diese konnte man dann behandeln und nach Möglichkeit beseitigen. Auch in Träumen und Fehlleistungen treten aus dem Unbewußten Gedanken, Wünsche, Konflikte zutage.
Freud benutzte für seine Patienten die berühmte Couch, damit diese ganz entspannt und offen reden konnten.
Der Ödipus-Komplex
Weiterhin entdeckte Freud: Jeder Junge ist als Kleinkind in seine Mutter verliebt, unbewußt auch sexuell, und auf seinen Vater eifersüchtig, jedes Mädchen in den Vater verliebt. Gelingt dem Jungen schließlich die Identifizierung mit dem Vater, so wird er ein seelisch gesunder Mann. Muss er seine Sexualität aufgrund der gesellschaftlichen Normen jedoch verdrängen oder weil der Vater ihn abstößt, können bei ihm seelische Störungen auftreten. Er kann sich nicht voll als Mann entwickeln mit der Hinwendung zum weiblichen Geschlecht und kann z.B. homosexuell werden. Bei den Mädchen ist es umgekehrt.
Freud nannte dies Verhalten den Ödipus-Komplex. Ödipus hat in der griechischen Sage seinen Vater getötet und seine Mutter geheiratet.
Freud sah den Geschlechtstrieb als den Zentraltrieb im Menschen. Aus der Verdrängung oder dem falschen Umgang mit der Sexualität in der Kindheit entstehen seiner Meinung nach die meisten Neurosen, seelische Störungen. Für die damalige Zeit war diese Behauptung ein Skandal.
Später stellte Freud neben den Geschlechtstrieb als Gegensatz den Zerstörungs- oder Todestrieb.
Freud wird berühmt
Freuds Psychoanalyse (Seelen-Erforschung) wurde heftig bekämpft, gewann aber immer mehr Anhänger. Seit 1909 lehrte Freud an der Wiener Universität. Er wurde schließlich weltberühmt. Seine ursprünglichen Anhänger Adler und C. G. Jung trennten sich später von ihm.
Freud war Atheist. Er hielt die Religion für eine kollektive Neurose, eine falsche Wunsch-vorstellung. Sie würde schließlich durch die Wissenschaft überwunden werden. Die Zukunft der Menschheit sah er eher pessimistisch.
1923 bekam er Gaumenkrebs. Viele Operationen folgten. Als die Nazis 1938 Österreich mit Deutschland vereinigten, emigrierte er nach London, begleitet von seiner Lieblingstochter und Mitarbeiterin Anna. Dort starb er 1939 auf eigenen Wunsch durch eine Dosis Morphium.
Viele Behauptungen Freuds erweisen sich heute als übertrieben. So macht zum Beispiel die Religion die Menschen nicht neurotisch krank. Religiöse Menschen sind im Gegenteil durchschnittlich gesünder, glücklicher und langlebiger als nichtreligiöse, wie mehrfache Untersuchungen zeigen. Letztlich findet der Mensch seelische Heilung, inneren Frieden, nur in der Geborgenheit in Gott.
Aber vielen Menschen weltweit heute hilft die von Freud entwickelte Seelenerforschung, innerlich stabiler und lebenstüchtiger zu werden.
Hans Misdorf