Es war während des Zweiten Weltkriegs. Mein Vater meinte, der Krieg sei nie zu gewinnen. Ich war anderer Meinung. Wurde nicht sogar sonntags im Gottesdienst gebetet für den Sieg des „Führers“ und der „Truppen zu Lande, zu Wasser und in der Luft“? Welch eine Enttäuschung, als mir im Februar 1945 – während ich als 15jähriger Soldat in Breslau war – klar wurde: Der Krieg ist verloren.
Die zweite Verführung
Nicht genug mit einer Fehleinschätzung. Ich ließ mich ein zweites Mal ideologisch verführen. Ich wohnte nach Kriegsschluß in jenem Teil Deutschlands, der von den sowjetischen Truppen besetzt worden war. Am Tage nach dem Einmarsch begann die KPD ihr Wirken. Das imponierte mir. Und wie sie argumentierte, das leuchtete mir ein. Später beschäftigte ich mich mit dem Marxismus-Leninismus. Was für ein Konzept zur Weltbeglückung – dachte ich. Doch bald – Gott sei Dank sehr bald – gingen mir die Augen auf. Ich war damals als Redakteur bei einer kommunistischen Rundfunkstation in Ost-Berlin tätig. Es irritierte und ärgerte mich, daß ich der „Parteilinie“ mehr verpflichtet zu sein hatte als der Wahrheit. Das machte mir zu schaffen. Die Erkenntnis: Du hast dich ein zweites Mal verführen lassen, war schmerzlich.
Eine Entdeckung, die mein Leben veränderte
Ich fragte mich, wie es in meinem Leben weitergehen sollte. Eines Tages stand ich vor meinen Büchern. Hatte eines die Antwort auf meine Fragen? Wie beiläufig griff ich ein Neues Testament. Ich hatte es nie gelesen. Ich blätterte und hielt inne bei 2. Timotheus 3, 14 ff: „Halte dich weiterhin an die Wahrheit, die man dich gelehrt hat. Seit deiner Kindheit kennst du die Heilige Schrift. Sie kann dir helfen, den Weg zur Rettung zu gehen, der uns durch das Vertrauen auf Jesus Christus eröffnet ist.“ Das schlug ein. Bis dahin hatte ich alles „Religiöse“ weit von mir gewiesen. Darum wußte ich auch nicht, daß sich ein Mensch zu Jesus Christus bekehren kann. In jener Stunde erlebte ich jedoch meine Bekehrung. Blitzartig wurde mir bewußt: Durch dieses kleine Büchlein spricht Gott zu mir. Alle Diskussion und Argumentation über und gegen Gott waren wie ausgelöscht: Dieser Gott hat mir Eltern geschenkt, die an Jesus Christus glauben. Sie hatten mir den Weg zu Christus gewiesen. Ich hatte ihn nicht gehen wollen … Jetzt erinnerte mich Gott: “ … du weißt ja, von wem du gelernt hast“. Erschreckend bewußt wurde mir der Abstand zu Gott und die Macht der Gottlosigkeit (Sünde) in meinem Leben; aber auch der sehnliche Wunsch, ungeschehen machen zu können, was bisher in meinem Leben falsch gelaufen war. In den Tagen danach las ich mit Heißhunger das Neue Testament. Eine neue Dimension eröffnete sich mir. Ich begriff, daß man Vergebung seiner Sünden erbitten und empfangen kann, weil Jesus Christus zur Vergebung der Schuld gestorben ist. Gott schenkte mir Glauben an ihn. Im Glauben wurde ich gewiß: Meine Sünde ist vergeben. So wurde ich Christ. Die Erfahrung war so umwerfend, daß ich sehr schnell den inneren Auftrag empfand, anderen zu sagen, was ich erlebt hatte.
Wie bleibt man Christ?
Wie bleibt man Christ? Indem man voller Dank bleibt für jene Stunde – bei anderen Menschen kann es eine längere Entwicklung sein – in der Gott den Glauben schenkt. Er ist es auch, der Wachstum im Glauben gibt, nicht automatisch, sondern gebunden an sein Wort. Dieses Wort hat absolute Autorität. Das las ich damals und lese es seither in eben jener Bibelstelle 2. Timotheus 3, 16: „Alles, was in der heiligen Schrift seht, ist von Gottes Geist eingegeben. Es verhilft dazu, den Willen Gottes zu erkennen, die eigene Schuld einzusehen, sich Gott wieder zuzuwenden und ein Leben zu führen, das ihm gefällt.“ Im Glauben wachsen – dazu bedarf es außerdem der Gemeinschaft mit anderen Christen und der Tat. Glaube ist ja keine Theorie oder Lebensphilosophie, sondern Basis für ein Tun, das Gott erwartet und das er fördert, wenn er meine Bereitschaft sieht. Der Mensch dreht sich dann nicht mehr um seine eigene Achse, sondern er denkt daran, wie er anderen helfen kann. Zwecklos und zum Scheitern verurteilt ist allerdings alles, was ohne Jesus angepackt wird (siehe Johannes 15, 5b).
Horst Marquardt
Horst Marquardt war unter anderem viele Jahre für den Evangeliums-Rundfunk (ERF) in Deutschland verantwortlich. Seit 1994 ist er Internationaler Direktor für Europa, den Nahen Osten und Afrika der mit dem ERF verbundenen Radiomissionsgesellschaft Trans World Radio (TWR).
aus „idea“