Du bist Christ – findest Du das normal?

Ich lehne es ab, normal zu sein. Vielleicht ist das eine Macke. Das, was ich um mich herum sehe, das reicht mir nicht. Die Leute machen das, was sie machen, und alle Welt sagt, daß es Spaß macht, und es macht auch Spaß im Moment. Aber was zurückbleibt, wenn die Party vorbei ist, ist ein großes Loch. Am nächsten Morgen der Kater, und dann fängt alles von vorne an. Man bringt die Wochen hinter sich und freut sich aufs nächste Wochenende. Da ist kein roter Faden. Ich will nicht sagen, daß ich den roten Faden habe, aber ich sehe darin langfristig einfach keinen Sinn.

Was stört Dich daran?

Und wenn es nur Modesachen sind. Grün kommt in die Läden – alle Welt trägt grün. Alle Welt trägt lange Haare, also warum soll ich kurze Haare tragen? Das ist so eine Konformität; es ist auch eine Sache des Selbstbewußtseins. Was bin ich bereit, alleine zu machen, auch wenn die ganze Weit dagegen steht?

Was möchtest Du anders machen?

Wo man hinsieht, ist Respektlosigkeit und tierischer Egoismus. Ich beobachte, daß in den Wohnzimmern Kriege toben. Wenn ich sehe, wie Menschen miteinander umgehen, könnte ich schreien. Und dem will ich mich bewußt entgegenstellen und sagen: es geht auch anders (was nicht heißt, daß ich jeden mit Nächstenliebe erdrücke). Einfach aus Prinzip, weil ich denke, daß es so nicht geht und daß Gott sich das auch anders gedacht hat

Und das sagst Du den anderen auch?

Es kommt auf die Situation an, ob ich den Glauben mit reinbringe. Ich will keinem Phrasen und Sätze um die Ohren hauen. Ich hoffe, daß das auch so durchkommt.

Fromme Leute sind bieder und langweilig – das Argument bekommst Du doch sicher auch zu hören?

Ich finde, ich lebe in keinem frommen Getto, sondern ich lebe in der Welt, und da gehöre ich auch hin. Ich will bewußt anders sein als viele Fromme. Ich denke nicht, daß Gott uns zu irgendwelchen biederen, langweiligen Leuten machen wollte, sondern zu Menschen, die anderen etwas voraushaben, die einen Tick von Leben haben, wie es kein anderer nachempfinden und leben kann. Ich meine, wir haben da einen riesigen Vorsprung. Da muß man nicht mit Trauermiene rumlaufen, aber dauernd dieses erlöste Lächeln im Gesicht – das ist auch nicht mein Ding.

Was bedeutet Gott für Dich?

Ich mag das Bild mit dem Irrgarten. Es gibt sicher keinen Menschen, der bewußt lebt, der sich nicht auch schon mal wie in einem Irrgarten gefühlt hätte. Der plötzlich vor einer Wand stand und sich gefragt hat: Wo geht’s jetzt lang? Und ich glaube, daß es jemanden gibt, der diesen Irrgarten überblickt und der da drübersteht und mir sagen kann: „Sieh Dich mal um, geh mal ein paar Schritte zurück, dann rechts, und dann hast Du’s. Dann kannst Du wieder ein Stückchen gehen.“ Ich denke, daß mir das Orientierung und Hilfe ist, weil ich das Gefühl habe, mich hat jemand an der Hand, der den Irrgarten überblickt. Und das kann kein anderer Mensch, das kann nur Gott.

Wie siehst Du Deine Zukunft?

Ich meine, daß Gott grundsätzlich nichts passieren läßt, was nicht von ihm zumindest geduldet ist, wenn auch nicht immer gewollt. Selbst wenn ich falsche Entscheidungen treffe oder getroffen habe, dann bedeutet das nicht, daß das mein Untergang ist und alles schieflaufen wird. Deshalb glaube ich, da ganz gelassen rangehen zu können. Aber genaue Ahnung, was mich erwartet, habe ich nicht.

Was glaubst Du?

Ich glaube, daß ich als Mensch, so wie ich auf der Erde rumlaufe, in Ordnung bin, trotz allem Mist, weil Gott mich so lieb hat, wie ich bin. Er mag mich, er findet mich toll. Der Gott, der das Universum geschaffen hat, denkt an mich, und dem ist wichtig, was mit mir los ist, wie ich mich fühle, daß ich die Mathe-Arbeit verhauen hab‘, daß ich durch irgendeine Prüfung gefallen bin, daß es ihn berührt und betrifft und ihm nicht egal ist und daß er hört, wenn ich mit ihm rede. Das ist jenseits jeglicher Vorstellungskraft. Viele Menschen haben nicht mal einen anderen Menschen, der ihnen zuhört, und ich denke, das gibt einem ein ganz anderes Selbstwertgefühl. Viele Leute haben einfach kein Gefühl dafür, was sie wert sind, und daß sie deswegen Sachen mit sich und anderen machen, die eigentlich zum Weglaufen sind.

Verena, 18, Gießen

Mit freundlicher Genehmigung entnomen aus „I want it all“ © Campus für Christus

 

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