Das abenteuerliche Leben der Sabine Ball
Sabine Koritke, so ihr Geburtsname, hat Deutschland satt[1]! Als sie 1945 zum dritten Mal vor den Bomben der Amerikaner fliehen muss, schwört[2] sie sich, ihr Heimatland zu verlassen.
Aufgewachsen in einer gut situierten[3] Familie in Königsberg, hatte Sabine Koritke große Pläne für ihr Leben. Sie wollte studieren, hoch hinaus und das Leben genießen. Der Kriegsbeginn 1939 macht das alles zunichte. Vor den Russen flieht Sabine zu Freunden nach Dresden. Dort überlebt sie die Phosphorbomben und flüchtet mit ihrem kleinen Bruder nach Dessau. Als dort ebenfalls Bomben fallen, festigt sich das Verlangen, auszubrechen. Mit dem geregelten Leben ihrer Eltern kann sie nichts anfangen. Sie will etwas Neues beginnen. Sie will mehr als nur existieren, nicht nur funktionieren. Sie will frei sein!
Amerika, ich komme!
1949 wird der Wunsch der 24jährigen wahr: Eine Tante holt Sabine nach Amerika. Sie arbeitet als Hausmädchen und absolviert in Abendkursen eine Hotelfachschule. Sie bekommt einen Job als Hostess in einem Hotel und steigt bald zur Managerin eines Yachtclubs in Florida auf. Hier verkehren die Schönen und Reichen. Sabine ist glücklich. Hier würde sie ihr Glück finden!
Ein Traum wird wahr
Als Sabine Clifford Ball, den Sohn eines Multimillionärs, kennen lernt, ist das „Glück“ zum greifen nah: Sie heiratet ihn und ist anscheinend am Ziel ihrer Träume. Ganz oben angekommen, hat sie mehr Geld, als sie jemals ausgeben kann. Sie lebt fortan in vielen Teilen der Welt: Miami, Santa Barbara, Istanbul, Karatschi, San Francisco und New York. Sie trifft Richard Nixon und tanzt mit dem Schah von Persien. Sie hat alles, was sie immer wollte …
Träume sind Schäume
Doch der Traum währt nicht lang: Sabines Mann wird Alkoholiker. Nach zehn Jahren lässt sie sich scheiden. Ihre Söhne sind damals fünf und acht Jahre alt. Von der Scheidungsabfindung[4] kauft sie ein kleines Haus in Kalifornien. Um über die Runden zu kommen[5], muss sie jetzt arbeiten. Sie vermietet Zimmer an Studenten und kocht für sie. Ihre Suche nach dem Glück geht weiter.
Von tiefer Sehnsucht getrieben, auf der Suche nach Antworten über den Sinn des Lebens probiert Sabine alles Mögliche aus. Sie gründet eine Hippiekommune, um die Bewohner von den Drogen abzubringen. Sie reist nach Indien, um die mystischen Erfahrungen des Buddhismus kennenzulernen. Sie macht eine sexuell freizügige Gestalttherapie[6]. Nirgends entdeckt sie aber die Wahrheit für ihr Leben.
Auf dem richtigen Weg
Zuhause in der Hippiekommune hatte damals die Jesus-Bewegung Einzug gehalten. Dort lernt Sabine Tommy kennen, mit dem sie sich regelmäßig zum Bibellesen trifft. Sie wird wütend, denn sie will nicht einsehen, dass Jesus beansprucht, selbst die einzige Wahrheit zu sein. Diese Einstellung hält sie für intolerant. Erst als Tommy zu ihr sagt: „Sabine, du bist im Dunkeln! Jesus ist für dich gestorben. Gott gibt alles. Gott gibt sich selbst. Für dich. Ohne Wenn und Aber. Du darfst leben!„, gibt sie auf. Sie beginnt ein neues Leben mit diesem Gott. Die Begegnung mit Jesus am Kreuz hat sie verändert.
Neue Aufgaben
Seit diesem Tag im April 1972 hat sich das Leben der Sabine Ball drastisch verändert. Sie irrt nicht mehr rastlos umher auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Sie will ihr Leben seitdem sinnvoll für Gott einsetzen. Sie kümmert sich um heruntergekommene Menschen, um Prostituierte, Drogenabhängige, Straßenkinder. Sie tut, was sie gerade für nötig hält: Sie gründet ein Schwesternhaus für misshandelte Frauen, begleitet alte, sterbende Menschen.
„Scheiß Amis! Scheiß Welt! Scheiß Leben!„
1980 reist sie zum ersten Mal nach 32 Jahren wieder nach Deutschland, und kehrt 1992 endgültig dorthin zurück. Angerührt von einer Graffitischrift in Dresden „Scheiß Amis! Scheiß Welt! Scheiß Leben“ beschließt sie, dieser Hoffnungslosigkeit entgegenzutreten. Die Not der Kinder und Jugendlichen in der Wendezeit lässt sie nicht kalt. Sie leben zum Teil auf der Straße. Das ist der Anlass, eine Anlaufstelle für solche Straßenkinder zu schaffen: »Stoffwechsel e.V.« Sie beginnt in einem ehemaligen Schnapsladen, der als Café dient. Dazu kommen ein Second-Hand-Laden und zwei Häuser für betreutes Wohnen.
Sabine Ball ist inzwischen über 80. Die Vereinsleitung hat sie mittlerweile abgegeben, aber ihre Arbeit ist noch nicht zu Ende. Auf die Frage, woher sie die Kraft für alles nimmt, antwortet sie:
„Es ist Gott, der alles tut. Ohne ihn könnte ich gar nichts tun, ohne ihn wäre ich nichts. Aber ich bin sicher: Er hat noch viel vor hier in Dresden.“
Tanja Omenzetter – Entnommen aus „www.jesus-online.de“ powered by CINA.de, einem Arbeitsbereich des ERF Deutschland
Der Artikel erschien in „Der Weg“ 1/2008
[1] etw. satt haben: etwas nicht mehr ertragen können
[2] sich (Dat) etwas schwören: beschließen, etwas zu tun – sich etwas vornehmen
[3] gut situiert: in guten finanziellen Verhältnissen lebend – wohlhabend
[4] die Abfindung: eine einmalige Bezahlung an jemanden, der einen Schaden oder Verlust hat – Entschädigung
[5] über die Runden kommen: seine (meist finanziellen) Schwierigkeiten irgendwie lösen können
[6] eine ganzheitliche Art der Psychotherapie