Weihnachtsgedichte

Der Heiland

Immer wieder wird er Mensch geboren,
spricht zu frommen, spricht zu tauben Ohren,
kommt uns nah und geht uns neu verloren.
Immer wieder muss er einsam ragen,
aller Brüder Not und Sehnsucht tragen,
immer wird er neu ans Kreuz geschlagen.
Immer wieder will sich Gott verkünden,
will das Himmlische ins Tal der Sünden,
will ins Fleisch der Geist, der ewige, münden.
Immer wieder, auch in diesen Tagen,
ist der Heiland unterwegs zu segnen,
unseren Ängsten, Tränen, Fragen, Klagen
mit dem stillen Blicke zu begegnen,
den wir doch nicht zu erwidern wagen,
weil nur Kinderaugen ihn ertragen.
Hermann Hesse (1877 – 1962)

Licht aller Welt

Der Stern geht auf um Mitternacht,
hat aller Welt das Licht gebracht.
Ehre sei Gott in der Höhe!
Ein Licht, so groß wie alle Welt,
davor die Nacht zu Boden fällt.
Ein Licht, so rein wie Himmelschein.
Wir sollen Gottes Kinder sein.
Ein Licht, so stark wie Gottes Geduld.
Davor erschrecken Not und Schuld.
Ein Licht, so weit wie alle Zeit.
Das führt uns in die Ewigkeit.
Der Stern geht auf um Mitternacht,
hat aller Welt das Licht gebracht.
Ehre sei Gott in der Höhe!
Rudolf Otto Wiemer (1905-1998)

Die Hirten

Sie sind erschrocken,
sie hören, staunen,
gehen hin nach Bethlehem.
Dort stehen sie mit großen Augen.
Sie schauen in das Kind hinein, hindurch,
so lange, bis sie den Erlöser sehen.
Sie finden ihn – in Windeln eingehüllt.
Den Herrn der Welt.
Was mussten sie für Augen haben!
Sie finden die Wahrheit und beugen sich
und anerkennen, was nicht durch sie entstand.
Sie schauen nicht hin noch her,
sie schauen einfach tief.
Ein kleines Kind,
Retter der Welt.
Sie brauchen nicht gescheite Worte.
Es war genug für die Hirten,
zu stehen vor der Krippe
und gehört zu haben:
DAS HEIL IST DA!
Sie schauen in die Augen eines Kindes
und loben Gott für dieses Heil.
Sie laufen heim und sind gewiss:
ER IST`S.
Martin Gutl (1942-94)

Der Stern von Bethlehem

zeigte den Weisen den Weg.
Sie wollten den neugeborenen König anbeten.
Um ans Ziel zu kommen,
scheuten sie weder Kosten noch Mühe.
Keine Unsicherheit kam in ihnen auf,
kein Erstaunen über die Armseligkeit[1].
Vielmehr- so wird berichtet:
Sie wurden hoch erfreut.
Der König der Juden war geboren,
Christus, der Sohn Gottes, wurde zum Bruder der Menschen!
Er ist auch mein Bruder!

Seitdem versammelt sich die Gemeinde Jesu Christi
unter einem guten Stern.
Wer glaubt,
dass Gottes Sohn Mensch geworden ist,
zu ihm geht und keine Mühen scheut[2],
im Glauben treu zu bleiben,
der gehört zur Familie Gottes.
Wen finden wir in der Gemeinde Jesu?
Menschen mit Unzulänglichkeiten[3],
Blinde und Lahme, Behinderte aller Art,
Gefangene in ihren Zellen,
Gebundene in mancherlei Verstrickungen[4].
Alles Leute, mit denen kein Staat zu machen[5] ist.
Wenig solche wie die Weisen aus dem Morgenland.
Mitten unter den erwartungsvollen Gesichtern:
auch ich!
Der Stern von Bethlehem vereint uns im Gebet:
Du Kind in der Krippe,
dich beten wir an.
Wir haben keine Schätze für dich als Geschenk.
Was wir dir darreichen können,
ist unsere Schuld, unser Unvermögen , unser Leid.
Nimm alles hin. Nun sind wir frei.
Jetzt ist das Christfest da!
Hans Zinnow

Der Artikel erschien in „Der Weg“ 4/2007

 

[1] Armut, Mangel
[2] keine Mühe scheuen: Schwierigkeiten überwinden
[3] Fehler und Mängel
[4] Menschen, die keinen Ausweg wissen
[5] Menschen, auf die man nicht stolz sein kann
[6] Unfähigkeit

Sonnenuntergang (Bild: Der Weg)