Weihnachten

Der Adventskalender **

„Ist wirklich schon wieder Advent[2]?“

Frau Schweiger ging durch die Fußgängerzone und betrachtete die festliche Straßenbeleuchtung. Ja, der November ging zu Ende, und alle Leute bereiteten sich auf Weihnachten vor. In den Schaufenstern sah man Weihnachtsengel und Weihnachtsmänner, viele Sterne und andere weihnachtliche Dekoration. Lichterketten leuchteten überall in dieser dunklen, kalten Jahreszeit.

Frau Schweiger blieb an einem Laden stehen und sah hinein. Hier gab es Adventskränze und eine große Auswahl verschiedener Adventskalender.

Frau Schweiger dachte nach. Dann lächelte sie plötzlich und sagte leise zu sich selbst: „Ja, das werde ich tun!“

Weihnachtsmarkt in Frankfurt/Main (Bild: Der Weg)

Sie freute sich sehr über ihre Idee und ging nachhause.

„Was fehlt denn noch?“ Frau Schweiger stand in ihrer Küche und überlegte. In den letzten Jahren war die alte Dame ein wenig vergesslich geworden. Schließlich hatte sie alles gefunden, was sie brauchte.

Aus einem Stück Goldfolie[3] faltete sie einen großen Stern. Dann befestigte sie in der Mitte des Sterns ein anderes Stück Folie, das man wie eine kleine Tür auf- und zuklappen konnte. Schließlich setzte sie sich an den Tisch, schlug ihre Bibel auf und schrieb sorgfältig einen Vers ab.

„Jetzt muss ich nur noch den Zettel mit dem Bibelvers hinter das Fenster aus Goldfolie stecken. Zuklappen. Fertig.“

Frau Schweiger trat einen Schritt zurück und betrachtete ihren Stern. „Nun kann mein Besuch kommen“, dachte sie.

Frau Schweiger war nie verheiratet gewesen und hatte immer allein gelebt. Seit sie in den Ruhestand getreten[4] war, hatte sie jedes Jahr im Advent ihre Kolleginnen[5] aus der Firma eingeladen.

„Bei Ihnen ist es immer so gemütlich, Frau Schweiger!“, sagte Frau Walter, als sie mit Frau Klink ins Wohnzimmer kam.

Voller Bewunderung betrachteten die beiden Frauen den schönen roten Weihnachtsstern[6] auf der Fensterbank und den mit Kerzen geschmückten Tisch. Dann fiel ihr Blick auf den großen Stern aus Goldfolie, der an der Wand hing.

Frau Walter sah Frau Schweiger erstaunt an.

„Früher haben Sie immer gesagt, dass Sie Weihnachtsdekoration nicht mögen, Frau Schweiger! Haben Sie Ihre Meinung jetzt endlich geändert?“

Auch Frau Klink wunderte sich.

„Der Stern sieht aus wie selbst gemacht! Ist das ein Geschenk von den Kindern aus Ihrer Gemeinde?“

„Nein, nein“, lächelte Frau Schweiger. „Ich habe ihn tatsächlich selbst gemacht. Das ist mein Adventskalender.“

„Ein Adventskalender? Bei Ihnen? Seit Jahren haben Sie doch immer wieder gesagt, dass Weihnachten für Sie gar nichts mit all diesen Traditionen zu tun hat! Hat sich das jetzt geändert?“, fragte Frau Klink.

Frau Walter sah den goldenen Stern genau an und sagte dann nachdenklich: „Wieso soll das ein Adventskalender sein? Auf diesem Stern ist nur ein einziges Türchen und nicht vierundzwanzig Türchen wie auf jedem anderen Adventskalender.“

Frau Schweiger lächelte. „Das ist mein persönlicher Adventskalender. Wissen Sie, das Wort Advent ist lateinisch und bedeutet einfach Ankunft. Die meisten Menschen denken bei dem Wort Advent jetzt nur noch an das Weihnachtsfest. Dazu gehören ein Weihnachtsbaum, Weihnachtsmann, Geschenke und Gemütlichkeit. Aber ich denke an den, der ankommt!“

„Ich vermute, Sie denken an das Jesuskind[7] in der Krippe[8], nicht wahr? Das gefällt mir eigentlich auch besser als der Weihnachtsmann“, nickte Frau Walter.

„Nein! Der da ankommt ist nicht das Kind in der Krippe! Es ist der Herr Jesus Christus. Er hat versprochen, dass er wiederkommen wird!“

Frau Schweiger stand vor ihrem Stern und öffnete vorsichtig das goldene Türchen. „Sehen Sie, ich brauche nur einen Adventskalender mit einem einzigen Türchen. An jedem Tag, den Gott mir noch schenkt, kann ich dieses Türchen öffnen und mich freuen, denn jeder Tag könnte der Tag seiner Ankunft sein. Ich weiß nicht, ob er heute kommt oder nächste Woche, in ein paar Monaten oder Jahren. Aber ich weiß, dass er kommen wird. Nicht als Kind wird er wiederkommen, sondern als mein Herr und Erlöser, auf den ich sehnsüchtig warte! Deshalb ist für mich immer, jeden Tag, Advent!“

Frau Schweiger hatte den Zettel aus ihrem Adventskalender genommen, und neugierig beugten sich ihre Kolleginnen darüber.

Nur wenige Worte standen da geschrieben:

„‚Ja, ich komme bald.‘ ‚Amen, komm, Herr Jesus!'“ [9]

Irmgard Grunwald

[1] Das ist eine Art Kalender, der vom 1. Dezember an die Tage bis Heiligabend (24. Dezember) zählt. Meist lassen sich an einem Adventskalender 24 kleine Türen öffnen; dahinter befinden sich oft Süßigkeiten oder Bilder.
[2] die letzten vier Wochen vor Weihnachten
[3] Papier, das wie Gold aussieht
[4] in Rente gehen; nicht mehr arbeiten, weil man alt geworden ist
[5] Menschen, mit denen man zusammen in einer Firma arbeitet
[6] eine Pflanze, die in der Weihnachtszeit blüht. Die roten Blütenblätter sehen aus wie ein Stern.
[7] Jesus Christus als Baby
[8] ein Gefäß mit Futter für Tiere. Jesus wurde als Baby in eine leere Krippe gelegt, weil die Eltern kein anderes Bett für ihn hatten.
[9] Dieser Satz steht in der Bibel in Offenbarung 22 Vers 20