Deutsche Städte

Weimar – Kulturstadt Europas ?

„Dieser junge 27jährige feurige Herr Doktor brachte eine wunderbare Revolution in diesem Ort hervor, der bisher ziemlich philisterhaft gewesen war und plötzlich genialisiert wurde. Man kann sich keinen schöneren Mann vorstellen … die seltene Vereinigung geistiger und körperlicher Vollkommenheit …“ Diesen Satz sprach einst der Arzt Christoph Wilhelm Hufeland (1762 – 1836). Der Leser fragt sich, welchen Ort er wohl gemeint hat und welche Person?

Nun, die Stadt ist zwar nach der politischen Wende in Deutschland nicht die Landeshauptstadt des Bundeslandes und Freistaates Thüringen geworden. Dennoch ist Weimar für ein Jahr eine Art Hauptstadt, nämlich „Kulturstadt Europas“. Und diese Tatsache hängt eben auch zusammen mit dem Mann, von dem jener Arzt gesprochen hat und der kein geringerer war als Johann Wolfgang von Goethe, der deutsche Dichterfürst. Er kam 1776 nach Weimar, wo er bis zu seinem Tod am 22.3.1832 lebte und Weltliteratur schuf und wie kein anderer seiner Zeit das Denken und Handeln in vielen Lebensbereichen beeinflußte. Über ihn haben wir in einer früheren Ausgabe des „Weges“ ausführlich berichtet. Um ihn soll es hier nun also nicht gehen, sondern um die Stadt, die durch ihn „genialisiert“ wurde.

Stadt in der „grünen Mitte“

Diese Stadt ist Weimar. Sie liegt in der „grünen Mitte“ Deutschlands und etwa in der Mitte des Thüringer Beckens auf ca. 240 m N.N. Sie wird durchflossen von dem kleinen Flüßchen Ilm, das aus dem Thüringer Wald kommend später in die Saale mündet. Ungefähr 60.000 Einwohner leben in dieser mehr als uralten Siedlung. Die meisten der heutigen Einwohner sind evangelisch, wenn sie nach mehr als 40jähriger sozialistischer Herrschaft der damaligen DDR denn überhaupt noch einer Kirche angehören.

Als Stadt wurde Weimar 1254 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Im Laufe der Geschichte war sie schon mehrfach auch Residenz von Fürsten und Herzögen. Zuletzt war Weimar bis 1918 die Hauptstadt des Großherzogtums Sachsen-Eisenach. In moderner Zeit hat sie allerdings, wie schon erwähnt, den Wettbewerb um die Hauptstadt des neuen Bundeslandes gegen die Nachbarstadt Erfurt verloren.

Wenngleich das Umland von Weimar land- und forstwirtschaftlich geprägt ist, kann die Stadt doch auch Industrien aufweisen, z.B. Landmaschinenbau, Kabel- und Apparatebau, Herstellung feinmechanischer Geräte usw.

Goethe- und Schillerstadt

Weimar ist Kreisstadt (Kfz-Kennzeichen WE) und verfügt über zwei bekannte Hochschulen für Architektur und Bauwesen bzw. für Musik. Zu seinen bekanntesten Museen zählen natürlich das Goethe-Nationalmuseum und das Schillerhaus. – Auch Friedrich von Schiller (1759 – 1805) wirkte die letzten 18 Jahre seines Lebens in Weimar, wo er in vielen Dingen, vor allem im Bereich der Literatur und des Theaters, eng mit Goethe zusammenarbeitete. Deshalb hat man den beiden Großen vor dem Nationaltheater auch ein Denkmal gesetzt.

Manche Leute sagen, ganz Weimar sei mit seinem Schloß aus dem 16. Jahrhundert und seiner Altstadt ein Museum, das leider durch einen Bombenangriff im Februar 1945 stark gelitten hat. Inzwischen sind jedoch die meisten Schäden behoben und die Stadt erstrahlt in neuem Glanz seiner alten historischen Architektur.

Demokratie und Faschismus

Zwei wichtige Ereignisse aus der jüngeren Geschichte müssen noch erwähnt werden, die Weimar auch bekannt gemacht haben: Nach dem Ende des 1. Weltkrieges versammelte sich die verfassunggebende „Deutsche Nationalversammlung“ in dem klassizistischen Bau des Nationaltheaters, um die parlamentarisch-demokratische „Weimarer Republik“ zu gründen. Diese Republik hatte Bestand bis zur Gründung des sogenannten 3. Reiches unter Adolf Hitler im Jahre 1933.

Diese Zeit freilich gab der Stadt Weimar dann eine traurige Berühmtheit. Die Hitlerdiktatur errichtete nämlich auf dem nahegelegenen Ettersberg das berüchtigte Konzentrationslager „Buchenwald“. Tausende von Juden und Gegnern des Nationalsozialismus kamen in diesem Lager ums Leben. Heute erinnert eine Gedenkstätte an diese bösen Zeiten.

Bedeutsame Ereignisse

Zuletzt: Daß die Stadt Weimar für 1999 zur „Kulturstadt Europas“ ernannt wurde, verdankt sie dem Zusammentreffen verschiedener bedeutsamer Ereignisse:

  • Am 28.8.1999 feierte die kulturelle Welt die 250. Wiederkehr des Geburtstags von Johann Wolfgang von Goethe;
  • zum 80. Mal jährte sich die Unterzeichnung der „Weimarer Verfassung“;
  • die zehnjährige Wiederkehr des Mauerfalls in Berlin und der Öffnung der Westgrenzen der DDR, also auch der Grenzen Thüringens zu Bayern, Hessen und Niedersachsen galt es zu feiern;
  • außerdem lag es genau 1100 Jahre zurück, daß Weimar als Ort in einer Urkunde erwähnt ist.

Genug Gründe, der Stadt die besondere Ehre zuteil werden zu lassen. Die besondere Ehre ist aber auch eine besondere Verpflichtung: Daß die Ernennung Weimars zur „Kulturstadt Europas“ mit einer Fülle von Veranstaltungen in der Stadt selbst und in ihrer Umgebung gefeiert wurde, das versteht sich natürlich. Für die relativ kleine Stadt bedeutete das einerseits hohe Investitionen vor allem finanzieller Art und andererseits einen großen Aufschwung ihrer Entwicklung in allen Bereichen ihres politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens.

Lothar von Seltmann

 

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