Bamberg
Glaubt man einer wissenschaftlich gesicherten Umfrage in Deutschland, erfährt man Erstaunliches: Bamberg an der Regnitz ist die Stadt, mit der sich die Deutschen am innigsten[1] verbunden fühlen, beispielsweise vor Heidelberg oder Rothenburg o.d. Tauber. 1993 nahm die UNESCO[2] Bamberg in die Liste ,Weltkulturerbe der Menschheit“ auf. Demnach muß Bamberg in der Tat eine besondere Stadt sein.
Fränkischer Charme[3]
Zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde Bamberg im Jahre 902. Die Stadt ist heute die größte Ansiedlung des oberen Maingebietes. Die Kreisstadt[4] im bayerischen Regierungsbezirk[5] Oberfranken liegt in einer Höhe von ca. 230 – 390 Meter ü.M.[6] am Rande einer fruchtbaren Talweitung an der Regnitz, fünf Kilometer vor ihrer Mündung in den Main. Sie liegt in günstiger Verkehrslage an den beiden Autobahnen A 70 und A 73 und hat einen modern ausgebautem Binnenhafen am Beginn des Rhein-Main-Donau-Großschiffahrtsweges[7], der die Nordsee mit dem Schwarzen Meer oder auch Westeuropa mit den Balkanländern verbindet.
Die ca. 80 000 Einwohner leben von ihrer Arbeit in Unternehmen der Textil- und Lederindustrie, des Maschinenbaus, der Elektrotechnik oder auch von der Land- und Forstwirtschaft oder dem Gartenbau. Vor allem Hopfen[8] als Rohstoff für die Bierherstellung ist ein wichtiges landwirtschaftliches Erzeugnis der Region. Allein in Bamberg produzieren neun Brauereien über 50 verschiedene Biere, von denen vor allem das Bamberger Rauchbier im In- und Ausland bekannt und geschätzt ist. Bekannt ist die Stadt auch durch seine Schulen und Hochschulen, seine Museen, die Staatsbibliothek und das Staatsarchiv. Und auch die Bamberger Symphoniker[9] haben ihrer Stadt weit über ihre Grenzen hinaus einen guten Klang verschafft.
Ein Gesamtkunstwerk
Die eigentliche Bedeutung der Bischofsstadt liegt aber in ihrer geschichtlichen Dimension, die sich vor allem in der bau- und kunsthistorischen Fülle widerspiegelt, die diese Stadt zu bieten hat. Alle Stilarten einer mehr als 1000jährigen Geschichte finden sich in dieser baulich reichen Metropole. Sie lebt von dem Kontrast der gotischen[10] Strenge ihrer kirchlichen Bauten und dem heiteren Barock[11] ihrer bürgerlichen Paläste. Die Stadt Bamberg ist ein Gesamtkunstwerk von über 2300 denkmalgeschützten Bauten aus Romanik[12], Gotik, Renaissance[13] und Barock.
Dominiert wird das Stadtbild von dem viertürmigen Kaiserdom St. Peter und Georg, der im Jahre 1012 geweiht wurde und auf eine Stiftung[14] Kaiser Heinrich II. zurückgeht. Die heutige Gestalt der Kathedrale[15] ist bestimmt von Arbeiten aus der Zeit des Übergangs von der Romanik zur Gotik etwa um 1230. Weltberühmt ist der Bamberger Reiter aus der Zeit um 1235, der im Inneren des Doms steht. Niemand weiß so recht, wen er darstellen soll, aber er gilt als das Idealbild hochmittelalterlichen König- und Rittertums, als das Wahrzeichen der deutschen Kunst und als eins der wichtigsten europäischen Kunstwerke.
Im Kaiserdom befindet sich auch das Grab von Clemens II. vormals Suitger, in den Jahren 1040 – 1046 Bischof von Bamberg, der als einziger Papst nördlich der Alpen beerdigt ist. Begnadete Künstler und Baumeister haben in Bamberg gearbeitet und unschätzbare Werte geschaffen, z. B. Tilman Riemenschneider (spätgotischer Bildhauer und Bildschnitzer; 1460 [?] – 1531), Veit Stoß (Bildhauer, Kupferstecher, Maler; 1445 [?] – 1533), Balthasar Neumann (bedeutendster deutscher Barockbaumeister; 1687 – 1753), um nur einige zu nennen. Gegenüber dem Dom baute Leonhard Dientzenhofer, Mitglied einer bekannten fränkischen Baumeisterfamilie, die Neue Residenz im barocken Stil.
Traumstadt der Deutschen
Auf einer Brücke über der Regnitz, die die Bürgerstadt von der Bischofsstadt auf dem Domberg trennt, steht das Alte Rathaus. Es wurde zunächst im gotischen Stil erbaut (bereits 1386 erwähnt), im 18. Jahrhundert aber barock umgestaltet. Ganz in der Nähe befindet sich ,Klein Venedig“, das malerische[16] Fischerviertel entlang des Flusses. Eine Bootsfahrt auf der Regnitz mit dem Blick auf die faszinierende Stadtlandschaft und ein Bummel[17] durch die mittelalterliche Altstadt helfen zu begreifen, warum Bamberg als ,Traumstadt der Deutschen“ bezeichnet wird.
Aber nicht nur Bamberg selbst ist eine bau- und kunsthistorische Sehenswürdigkeit. Das Umland ist reich an weiteren Perlen der Baukunst. Ein Besuch des Klosters[18] Banz, der Wallfahrtskirche[19] Vierzehnheiligen, des Schlosses Pommersfelden, des Klosters Erbach oder des fürstbischöflichen Lustschlosses Seehof ist jedem Besucher der Region Oberfranken dringend zu empfehlen.
Lothar von Seltmann
[1] innig: mit einem tiefen, intensiven Gefühl
[2] die UNESCO: (Abk. für United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) 1945 gegründete Sonderorganisation der Vereinten Nationen (Sitz in Paris) mit dem Ziel, die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Erziehung, der Wissenschaft und Kultur zu fördern
[3] der Charme: [scha:rm] der reizvolle, positive Eindruck, den eine Person oder Sache auf jmdn. macht
[4] die Kreisstadt: Zentrum eines staatlichen Verwaltungsbezirks der unteren Ebene (Kreis)
[5] der Regierungsbezirk: staatlicher Verwaltungsbezirk der mittleren Ebene
[6] Meter ü.M.: Höhenangabe bezogen auf die Meereshöhe
[7] der Rhein-Main-Donau-Großschiffahrtsweg: Der vor wenigen Jahren fertiggestellte Main-Donau-Kanal verbindet das Flußsystem Rhein-Main mit der Donau
[8] der Hopfen: eine Pflanze, die an langen Stangen hochwächst und deren Frucht verwendet wird, um Bier herzustellen
[9] die Bamberger Symphoniker: im In- und Ausland bekanntes und berühmtes großes Orchester
[10] gotisch: der Stilepoche der Gotik zugehörig; Gotik: Kunst- oder Stilepoche des Mittelalters. Man unterscheidet Frühgotik (12./13.Jh.), Hochgotik (13./14.Jh.) und Spätgotik (14./15.Jh.). Die Baumeister dieser Zeit lockerten die Mauerflächen ihrer meist großen Gebäude durch hohe, breite Glasfenster auf. Sie wirken dadurch wie aufstrebende, luftige, fast schwebende Gerippe von Pfeilern und Spitzbögen mit reichem plastischem Zierat. Auch die Figuren der gotischen Plastik wirken nach oben weisend.
[11] das (oder der) Barock: europäischer Kunststil vom Ende des 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, besonders ausgeprägt in der Baukunst. Kennzeichen sind stark geschwungene, üppig ausladende, prunkvolle Formen in der baulichen Gesamtanlage wie auch in einzelnen Bauelementen
[12] die Romanik: Kunstepoche vom 11. bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts; im Baustil gekennzeichnet von gedrungenen Formen, massigen Mauern, dem Vorherrschen waagerechter Linien und der Gliederung von Räumen durch Rundbogenreihen
[13] die Renaisance: Kunststil des 15. und 16. Jahrhunderts als Wiederentdeckung der Antike = des Altertums. In der Baukunst überwiegen klare Formen mit Säulen, Giebeln, würfelförmigen Palästen, Rundbögen und Kuppeln
[14] die Stiftung: (hier) die Gründung
[15] die Kathedrale: Dom, große Kirche
[16] malerisch: hübsch und idyllisch; pittoresk
[17] der Bummel: ein Spaziergang ohne konkretes Ziel
[18] das Kloster: eine bauliche Anlage mit Kirche, Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, wo Männer (Mönche) oder Frauen (Nonnen) leben, die sich ganz dem Dienst Gottes hingeben
[19] die Wallfahrtskirche: Kirche, die von Menschen teils von weit her in feierlichen Zügen oder Reisen aufgesucht wird, um dort besondere Anbetung auszuüben oder besondere Segnungen zu empfangen