Thüringen
Wechselhafte Geschichte
Das deutsche Bundesland Thüringen liegt im Herzen Deutschland. Dies aber erst wieder seit der deutschen Wiedervereinigung 1990. Die politische Geschichte Deutschlands hatte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Thüringen an die Süd-West-Ecke der damaligen DDR gedrängt. Dazu kam, dass das Land 1952 in Bezirke aufgeteilt wurde und so als Bundesland von der Landkarte verschwand. Die Grenzen nach Bayern, nach Hessen und Niedersachsen wurden dicht abgeriegelt [1] durch Mauern und Stacheldraht.
1989 öffnete sich dann nach langen, schweren Jahren die Grenze. Mauern und Zäune wurden nach und nach abgerissen. Die Bezirke der Region wurden 1990 wieder zum Bundesland Thüringen. Und Thüringen kehrte zurück in die Mitte Deutschlands. Heute hat es etwa 2,5 Millionen Einwohner und ist 16172 km2 groß.
Der Thüringer Wald
Einen großen Teil des Landes nimmt der Thüringer Wald ein. Man nennt Thüringen deshalb auch das grüne Herz Deutschlands. Die sanften Höhen dieses waldreichen Mittelgebirges erheben sich bis auf 984 m Höhe (Großer Beerberg). Sie umschließen tief eingeschnittene liebliche [2] Täler, in denen kleine und größere Flüsse ihre Wasser der Weser im Westen (Werra) und der Elbe im Osten (Saale) zuführen. Über den Kamm [3] des Gebirges führt ein uralter Handelsweg, der Rennsteig [4]. In früheren Zeiten verband er die Handelsstädte im Westen, z.B. Frankfurt a. M., mit Erfurt. Heute ist der Rennsteig eine sehr beliebte Wanderstrecke und seit Jahren bekannt durch den international besetzten Rennsteiglauf. Wohl jeder gut trainierte Langstreckenläufer [5] möchte wenigstens einmal an diesem Wettbewerb teilgenommen haben. Andere Sportler fahren im Winter zum Skilauf auf die Höhen des Gebirges. Oberhof und Zella Mehlis haben internationalen Ruf.
Aber auch andere Orte haben die Region über ihre Grenzen hinaus bekannt gemacht: z.B. Lauscha und seine Glasbläser (Glasaugen und Christbaumschmuck), Sonneberg (Spielzeuge, Puppen, Teddybären) oder Suhl (Schusswaffen).
Historische Städte und Landschaften
Nordöstlich vor dem Waldgebirge liegt das Thüringer Becken. Hier wird auf großen Flächen Landwirtschaft betrieben. Aber nicht überall ist der Boden sehr fruchtbar.
Hier liegen auch die größeren Städte, welche die Geschichte des Landes weitgehend bestimmt haben. Einige wollen wir aufzählen, wie sie entlang der Autobahn A 4 von Westen nach Osten aufzufinden sind:
Das Wahrzeichen von Eisenach ist die Wartburg. Sie ist der einstige Stammsitz der Ludowinger, die im 12. Jahrhundert die Herrschaft im Land übernahmen. Hier kümmerte sich die heilige Elisabeth [6] (1211-27) um die Armen. Im Mittelalter fand dort der berühmte Sängerkrieg statt, ein Wettstreit der berühmtesten deutschen Minnesänger [7]. Dr. Martin Luther [8] übersetzte hier 1521-22 das Neue Testament der Bibel in die deutsche Sprache. Das Lutherzimmer kann man noch heute besichtigen.
1817 fand hier das Wartburgfest statt, eine Versammlung der Jenaer Burschenschaft [9] statt. Zum ersten Mal wurde dort demokratische Forderungen nach Presse- und Redefreiheit laut [10], und zum ersten Mal wurden die Farben der heutigen deutschen Nationalflagge Schwarz-Rot-Gold gezeigt. In Eisenach kann man auch das Geburtshaus des wohl berühmtesten deutschen Komponisten Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) besuchen. Seit einigen Jahren hat der Autohersteller Opel hier eine Fabrik.
Gotha glänzt u.a. mit Schloss Friedenstein, dem ersten Barockschloss im Lande, und mit dem Verlag Perthes, der seit fast 200 Jahren für alle Welt Landkarten herstellt.
Erfurt ist die größte Stadt im thüringischen Becken und eine der ältesten Städte Deutschlands. Heute ist sie Regierungszentrum des Landes. Sie hat einen berühmten Dom in historischer Altstadt, ist Universitätsstadt, Blumenstadt und Stadt mit vielseitiger Industrie.
Weimar war die Hochburg des deutschen Geisteslebens im 18. und 19. Jahrhundert. Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich von Schiller, neben anderen Dichtern und Denkern, gaben der Stadt ihr geistiges Profil [11]. 1919 wurde hier die Verfassung der ersten deutschen Republik, der sogenannten Weimarer Republik [12], ausgearbeitet.
Jena ist bekannt durch den Sieg Napoleons über die Preußen (1806), durch seine Universität (Hegel, Fichte, Schiller) und vor allem durch die optische Industrie der Firma Zeiss, die heute wieder Weltgeltung hat.
Gera ist ebenfalls eine ehemalige Residenzstadt [13], heute ist sie eine Industriestadt. Und ein wenig abseits der Hauptroute liegen einige Orte, die ebenfalls Bedeutung für Thüringen hatten und haben: die Skatstadt [14] Altenburg, die Puppenstadt Arnstadt und Mühlhausen, beides Wirkungsstätten Bachs.
Vieles könnte man noch nennen. Wer kann, sollte das grüne Herz Deutschlands besuchen, auch, um seine berühmten Klöße [15] und seine Thüringer Rostbratwurst [16] einmal zu probieren.
Lothar von Seltmann
Weitere Informationen über Thüringen
[1] abriegeln: etwas für jemanden unzugänglich machen; absperren
[2] lieblich: (hier) so, dass sie sanft und schön wirken – anmutig, bezaubernd
[3] der Kamm: (hier) der (oberste) Teil eines Gebirges, der von weitem wie eine Linie aussieht
[4] der Rennsteig: Renn|weg (Kammweg auf der Höhe des Thüringer Waldes u. Frankenwaldes)
[5] der Langstreckenläufer: ein Läufer, der eine lange Strecke (Weg) läuft
[6] Sie war die Ehefrau des Landgrafen (Landesfürst aus niederem Adel)
[7] der Minnesänger: Sänger höfischer Liebeslyrik im Hochmittelalter (12. u. 13. Jhd.); bekanntester Vertreter: Walter von der Vogelweide
[8] Dr. Martin Luther: Reformer der Kirche (1483 – 1546); Begründer der evangelischen Theologie
[9] die Burschenschaft: eine Vereinigung von Studenten, die keine Frauen als Mitglieder aufnimmt
[10]etwas wird laut: etwas wird der Öffentlichkeit bekannt – etwas verlautet
[11] das Profil: (hier) die (positiven) Eigenschaften, die typisch für eine Person oder Sache sind und diese von anderen unterscheiden
[12]1919 – 1933
[13] die Residenzstadt: Stadt, in der ein König, ein Präsident, ein Fürst o.Ä. wohnt und regiert
[14] der Skat: beliebtes deutsches Kartenspiel mit 32 Karten für drei Spielern
[15] der Kloß (die Klöße): kugelförmige Teigware, mit oder ohne Füllung
[16] die Rostbratwurst: eine Wurst, die auf einem Rost (= ein Gitter aus Holz oder Metall, auf das man etwas legt) gebraten wird