Deutschland von 1990 bis 2000: Die neuen Bundesländer – Rot-Grün kommt zur Macht ***

Wiederaufbau Ostdeutschlands

Das Jahr 1990 war ein wichtiges Datum der deutschen Geschichte: Die Bundesrepublik Deutschland und die ehemalige DDR sind ein gemeinsamer Staat geworden. Deutschland mit seinen nun über 80 Millionen Einwohnern wurde dadurch der größte Staat Europas. Bundeskanzler Kohl mit seiner Christlich-demokratischen Union (CDU) hatte die Wiedervereinigung herbeigeführt. Die Sozialdemokratische Partei (SPD) hatte Bedenken dagegen; viele in ihr sympathisierten[1] mit dem kommunistischen Regime in der DDR. Die Menschen in der DDR hatten gehofft, sie würden durch die Wiedervereinigung schnell so wohlhabend werden wie die Menschen in Westdeutschland. Aber durch den Anschluss an den Westen brach zunächst einmal die ostdeutsche Wirtschaft zusammen. Sie befand sich in einem sehr schlechten Zustand. Viele Menschen wurden arbeitslos, zeitweise bis zu 27 % aller Beschäftigten. Die ostdeutsche Wirtschaft erholt sich nur sehr langsam. Viele Bewohner der neuen Bundesländer erinnern sich deshalb gern an die früheren Verhältnisse unter dem Kommunismus. Manche wünschen sogar die alten Zeiten zurück. So besteht bis heute zwischen West- und Ostdeutschen ein gewisser Gegensatz. Die Deutschen müssten eigentlich für die Wiedervereinigung ihres Landes sehr dankbar sein, auch Gott gegenüber. Aber die Dankbarkeit und Freude darüber ist bei den meisten längst verschwunden.

Globalisierung und Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosigkeit ist auch in Westdeutschland ein Problem. Wie kommt das? Zum einen wird der Mensch immer mehr durch die Technik ersetzt.Und dann arbeiten heute die Industrien, Banken usw. innerhalb der einzelnen Staaten und weltweit immer enger zusammen[2]. Dadurch kann die Industrie zwar preisgünstig produzieren und erzielt hohe Profite[3], aber gleichzeitig gehen durch die Zusammenlegung von Arbeitsbereichen viele Arbeitsplätze verloren. Auch muss die Industrie in Deutschland hohe Löhne sowie Lohnnebenkosten[4] zahlen. Viele bürokratische Vorschriften, u. a. für den Schutz der Arbeiter und der Umwelt, engen die Entwicklung der Wirtschaft stark ein. Die Gewerkschaften haben in Deutschland großen Einfluss. So ist es schwer, neue Arbeitsplätze zu schaffen. In den 90er Jahren stieg die Arbeitslosigkeit langsam an. 1998 waren in Deutschland über 4 Millionen Menschen ohne Arbeit. Das war mit ein Grund dafür, dass die CDU unter Kohl die Bundestagswahl verloren hat.

Deutschland in Europa

Jahrhunderte lang haben die Staaten Europas blutige Kriege gegeneinander geführt. Damit Europa in Frieden und Wohlstand leben kann, schließen die europäischen Staaten sich heute immer enger zur „Europäischen Union“ (EU) zusammen. In den 90er Jahren hat Bundeskanzler Kohl tatkräftig am Zusammenschluss Europas gearbeitet. Er brachte die Deutschen dazu, ihre starke D-Mark-Währung zugunsten einer europäischen Währung, des Euro, aufzugeben. Durch Wegfall der Zölle an den Grenzen wurde 1993 ein gemeinsamer europäischer Binnenmarkt[5] geschaffen. Man reist heute als Europäer ohne Pass durch Europa. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten sollen auch die osteuropäischen Länder in die EU aufgenommen werden.

Fast alle Deutschen möchten heute in einer Demokratie in Frieden und Freiheit leben. Die Freiheit des Einzelnen und die Beachtung der Menschenrechte werden in Deutschland sehr wichtig genommen. Das zeigt sich auch daran, dass Deutschland viele Asylanten und Ausländer aufnimmt. Heute leben in der Bundesrepublik etwa 8 Millionen Ausländer, darunter viele Türken. Wegen des hohen Ausländeranteils steigt auch die Quote der Gewalttaten durch Ausländer. So meinen viele Deutsche, dass der Staat den Ausländern zu großzügig entgegenkommt; und manchmal überfallen Rechtsradikale einen Ausländer. Aber fast alle Deutschen verurteilen diese Überfälle.

SPD und Grüne regieren

Die Bundestagswahl 1998 wurde von der linksorientierten SPD gewonnen. Seitdem regiert sie unter Bundeskanzler Schröder in einer Koalition mit den Grünen von der neuen Hauptstadt Berlin aus. In den vorangegangenen 16 Jahren hatte die bürgerlich-konservative CDU unter Kohl mit der kleinen liberalen FDP Deutschland gelenkt. Vermutlich wurde sie auch aus diesem Grund nicht wiedergewählt. Die Menschen wollten Männer mit neuen Ideen an der Spitze des Staats.

Bundeskanzler Schröder ist ein geschickter Politiker. Er ist bei der Bevölkerung beliebt. Es gelang ihm, die pazifistischen Grünen für den (nicht-militärischen) Einsatz deutscher Soldaten auf dem Balkan[6] zu gewinnen. Im Hinblick auf Hitlers Angriffskriege erschien es bis dahin als politisch nicht vertretbar [7], deutsche Soldaten im Ausland einzusetzen. Schröder brachte auch einen Kompromiss [8] zwischen den Grünen und der Atomindustrie zustande. In den nächsten Jahrzehnten sollen alle deutschen Atomkraftwerke nacheinander abgeschaltet werden. In der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat Schröder allerdings bisher wenig Erfolg gehabt. Im Winter 2000/01 waren wieder über vier Millionen Menschen arbeitslos.

Verfall der Werte

Neben anderen CDU-Politikern hatte vor allem Bundeskanzler Kohl einige ihm in den 90er Jahren für seine Partei, die CDU, übergebene große Spendenbeträge verschwiegen. Damit hatte er sich zwar nicht juristisch, aber moralisch schuldig gemacht. Das hat der CDU bei den nachfolgenden Wahlen sehr geschadet.

Aber auch die Politiker von SPD und Grünen tragen durch ihre Gesetze und ihre Lebensführung zum Verfall der ethischen Werte bei. Solche aus dem Christentum stammenden Werte sind z. B.: der Glaube an den Gott der Bibel und die Bindung an die von Ihm gegebenen Ordnungen, die sog. Zehn Gebote. Davon abgeleitet auch die Unantastbarkeit des ungeborenen Lebens, Fürsorge für Kranke und Behinderte, der Schutz von Ehe und Familie, Fleiß und Arbeitsbereitschaft. Statt dessen wird durch neue Gesetze der Mensch immer direkter aufgefordert, vor allem an sich selbst und seine Freiheiten und Vorteile zu denken. Sein Egoismus [9] wird gefördert, z. B.: Überbewertung des Materiellen[10] , Erleichterung der Ehescheidung, Legalisierung der Abtreibungen [11], Einführung der sog. Homosexuellen-„Ehe“. In den Zeitungen und im Fernsehen nehmen Sex und Verbrechen einen immer größeren Platz ein, und der christliche Glaube wird verhöhnt und zunehmend lächerlich gemacht. Immer mehr Deutsche verlassen die Kirche [12]. Ein Drittel aller Deutschen gehören heute keiner Kirche mehr an, besonders im Osten Deutschlands [13]. Vielen Deutschen geht es materiell gut, während viele Menschen auf unserer Erde Not leiden. Aber das Wichtigste für einen Menschen ist nicht, dass er wohlhabend ist, sondern dass er eine persönliche Beziehung zu Gott bekommt. Die Bibel sagt dazu: „Was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber Schaden an seiner Seele nimmt?“ (Matthäus 16,26), und „Niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.“ (Lk. 12,15).

Hans Misdorf

 

[1] sympathisieren: besonders einen Politiker, eine politische Gruppe oder Ideologie gut finden, aber nicht aktiv unterstützen
[2] Den schnellen Austausch von Nachrichten, Waren und Geld, der sich auf die ganze Erde ausdehnt, nennt man auch „Globalisierung“
[3] der Profit: das Geld, das jemand oder eine Firma bei einem Geschäft verdient, Gewinn
[4] die Lohnnebenkosten: die Kosten, die außer dem Lohn anfallen, z. B. für die Kranken- und Rentenversicherung der Arbeiter
[5] Binnen- drückt aus, dass etwas im Inland (im Gegensatz zum Ausland) ist; der Binnenhandel, der Binnenmarkt
[6] der Balkan: die Balkanhalbinsel
[7] etwas (vor jemandem) vertreten: eine Meinung, Entscheidung, Tat o.Ä. für richtig halten und sie (anderen gegenüber) verteidigen
[8] der Kompromiss: die Einigung bei Verhandlungen oder bei einem Streit, wobei jeder der Partner einen Teil der Forderungen des / der anderen akzeptiert
[9] der Egoismus: die Eigenschaft, immer nur an sich selbst und seinen Vorteil zu denken, Selbstsucht
[10] materiell: die Dinge betreffend, die jemand zum Leben braucht oder haben möchte
[11] die Abtreibung: Schwangerschaftsabbruch
[12] Es gibt immer noch viele lebendige Christen in Deutschland. Man findet sie in den großen Kirchen. Besonders gibt es lebendige Christen in den kleinen evangelischen „Freikirchen“, z. B. bei den Baptisten. Dort findet man Gott und Jesus und lernt mit Gottes Hilfe ein guter Mensch zu werden.
[13] Etwas mehr als 30 Prozent gehören jeweils der evangelischen und katholischen Kirche an.