Thüringen, in der Mitte Deutschlands gelegen, bestand früher aus vielen kleinen Fürstentümern, Herzogtümern und Reichsstädten. Diese politische Zersplitterung[1] brachte eine kulturelle und geistige Vielfalt hervor. Von Thüringen aus nahm die Reformation mit Martin Luther ihren Anfang, hier tobte[2] zu Beginn des 16. Jahrhunderts der Bauernkrieg mit außerordentlicher Heftigkeit. In Weimar lebten viele Jahre Goethe und Schiller, Herder und Wieland; deshalb trägt Weimar den Beinamen „Stadt der deutschen Klassik“. Einer der größten deutschen Komponisten, Johann Sebastian Bach, wurde in Thüringen geboren und wirkte[3] hier in verschiedenen Städten als Organist. 1817 ging vom studentischen Wartburg-Fest bei Eisenach die Einheits-und Freiheitsbewegung im Deutschen Reich aus.
Der Thüringer Wald
Der Thüringer Wald zieht sich über eine Länge von 100 km und über eine Breite von 10 bis 35 km von der Werra bei Eisenach im Nordwesten bis zur Saale. Die höchsten Erhebungen des Thüringer Waldes sind der 983 m hohe Beerberg und der 978 m hohe Schneekopf. Früher gab es ausgedehnte Laubwälder; heute überwiegen Fichtenwälder, die stellenweise jedoch Jahrzehnte lang sehr unter der Industrialisierung und der damit verbundenen Luftverschmutzung gelitten haben. Trotzdem ist der Thüringer Wald ein ausgesprochener Touristenmagnet geblieben, im Sommer für Wanderfreunde, im Winter für Wintersportler. Oberhof ist im Winter alljährlich Austragungsort[4] für internationale Wettkämpfe. Auf dem Kamm des Thüringer Waldes verläuft ein 168 km langer Höhenwanderweg, der „Rennsteig“.
Über der Stadt Eisenach an den nordwestlichen Ausläufern des Thüringer Waldes liegt eine der wohl bekanntesten deutschen Burgen, die Wartburg. Sie wurde um 1067 gegründet und gehört seit 1999 zum Weltkulturerbe. Wie keine andere Burg Deutschlands ist die Wartburg mit der Deutschen Geschichte verbunden. 1211 bis 1227 lebte die später heilig gesprochene Elisabeth von Thüringen auf der Burg. 1521/22 hielt sich der Reformator Martin Luther als „Junker Jörg“ hier versteckt, nachdem er auf dem Reichstag zu Worms vom Papst unter Bann[5] gestellt worden war und um sein Leben fürchten musste. Während seines Aufenthaltes auf der Wartburg übersetzte er in nur elf Wochen das Neue Testament der Bibel ins Deutsche. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatten sich demokratisch gesinnte deutsche Studenten zu Burschenschaften[6] zusammengeschlossen. Am 18. Oktober 1817 fand auf der Burg das Wartburgfest – das Burschenschaftstreffen der Studenten – statt. Das zweite Wartburgfest wurde im Revolutionsjahr 1848 veranstaltet. So ist es nicht verwunderlich, dass die Burg bereits im 19. Jahrhundert als nationales Denkmal galt.
Das Thüringer Becken
Zwischen dem Thüringer Wald und dem Harz erstreckt sich eine weite, fruchtbare Landschaft – das Thüringer Becken. Die ertragreichen Böden werden für intensive Landwirtschaft genutzt, überwiegend für Getreide-, Gemüse- und Zuckerrübenanbau.
Sagenumwobener[7] Kyffhäuser
Der waldreiche Bergrücken des Kyffhäusers erstreckt sich an den südlichen Ausläufern des Harzes. Vom 477 m hohen Kulpenberg hat man einen weiten Blick über das Thüringer Land. Die zweithöchste Erhebung des Kyffhäusers ist der Kyffhäuser Burgberg mit dem Kyffhäuserdenkmal, das in Erinnerung an Kaiser Friedrich I. Barbarossa errichtet wurde. Der Sage nach soll Kaiser Barbarossa im Inneren des Berges an einem steinernen Tisch sitzen und schlafen. Alle 100 Jahre schickt er einen Zwerg hinaus um nachzusehen, ob die Raben noch um den Berg herumfliegen und ein uneiniges Deutschland seiner Wiederkehr bedarf[8]. Barbarossa starb im Jahre 1190.
Erfurt – Hauptstadt Thüringens
Schon im 13. Jahrhundert war Erfurt die reichste Stadt Thüringens. Das Stadtbild wird beherrscht von Dom und Severikirche. Weiterhin sehenswert sind u.a. die vielen Bauten aus der Renaissance- und Barockzeit, die Krämerbrücke und manches erhaltene alte Bürgerhaus. Vor allem am Fischmarkt steht noch eine Reihe von Gebäuden aus dem 16. Jahrhundert.
Etwa 35 km von Erfurt entfernt liegt an der Saale die Stadt Jena, die zweitgrößte Stadt Thüringens. Jena, im 2. Weltkrieg fast vollständig zerstört, gilt heute wieder als bedeutendes Bildungs- und Forschungszentrum. Die Friedrich-Schiller-Universität, mit über 20.000 Studenten die größte Universität Thüringens, hat einen hervorragenden Ruf auf den Gebieten der Mikrobiologie und der Medizin.
Thomas-Münzer-Stadt Mülhausen
Mühlhausen an der Unstrut, im Jahre 775 erstmals urkundlich erwähnt, war im Mittelalter eine mächtige kaiserliche Reichsstadt, die 1418 der Hanse beitrat.
Zu Beginn des Bauernkrieges gewann der Theologe und Sozialrevolutionär Thomas Münzer im Jahr 1524 die Herrschaft über die Stadt und leitete von hier aus den Bauernaufstand in Thüringen an. Bei Bad Frankenhausen unterlag[9] er einem vereinigten Fürstenheer. Münzer wurde daraufhin hingerichtet.
Mühlhausen ist eine Stadt, deren Besuch sich lohnt. Schon seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab man sich große Mühe mit der Restaurierung der Innenstadt. Die Stadtmauer mit dem alten Wehrgang ist fast vollständig erhalten. In der historischen Altstadt stehen sehenswerte Bürgerhäuser. Malerisch ist der Innenhof des Rathauses. In der Pfarrkirche St. Blasius aus dem 13./14. Jahrhundert war Johann Sebastian Bach als Organist tätig.
Weimar – Hauptstadt der deutschen Klassik
Das meist fotografierte Denkmal der Stadt ist sicherlich das Goethe-Schiller-Denkmal vor dem Deutschen Nationaltheater. Goethe lebte hier 57 Jahre bis zu seinem Tod im März 1832. Auch Schiller lebte viele Jahre in Weimar. In der Stadtkirche, die heute den Namen Herders trägt, predigten Luther und Herder, und hier war Bach als Hoforganist zu hören. Im 19. Jahrhundert wirkten Franz Liszt und Richard Strauss als Kapellmeister in Weimar. Die Stadt war für lange Zeit ein Mittelpunkt des deutschen Geisteslebens. Nach dem Ersten Weltkrieg tagte hier im Jahr 1919 die verfassungsgebende Nationalversammlung der so genannten Weimarer Republik.
Bereits Ende der 60er Jahre begann eine behutsame[10] Altstadtsanierung, die über Jahrzehnte dauerte, so dass Weimar heute wieder in alter Schönheit erstrahlt. Weimar ist immer einen Besuch wert: die historischen Gedenkstätten wie das Goethe- und das Schiller-Wohnhaus, das Palais der Herzogin Anna Amalia mit der weltberühmten Bibliothek, das Schloss mit seiner wertvollen Gemäldesammlung, die wundervollen Parkanlagen mit Schloss Tiefurt und Schloss Belvedere. Das alles sind Sehenswürdigkeiten, die ihresgleichen suchen.
Der Artikel erschien in „Der Weg“ 2/2008
[1] Aufteilung
[2] Heftige Kämpfe fanden statt.
[3] tätig sein
[4] ein Ort, wo Wettkämpfe stattfinden
[5] Ächtung
[6] eine Vereinigung von Studenten, die keine Frauen als Mitglieder aufnimmt
[7] ein Ort, wo viele Sagen entstanden sind
[8] dringend brauchen, nötig haben
[9] Er wurde besiegt.
[10] vorsichtig, schonend