Das Holstentor in Lübeck ***
Weit über die Landesgrenzen Schleswig-Holsteins hinaus ist es bekannt. Viele Erzeugnisse, wie etwa das leckere Lübecker Marzipan[1], tragen es als Symbol. Und sogar auf dem früheren 50-DM-Schein war es lange Jahre zu sehen. Das Holstentor (Holstein-Tor“) ist das wohl bekannteste und bedeutendste erhaltene Stadttor des Spätmittelalters in Deutschland.
Schutz vor Angriffen
Gebaut wurde es zwischen 1464 und 1478, während die Befestigungsanlagen[2] der reichen Hansestadt Lübeck modernisiert wurden. Die Stadt lag damals im Zentrum der nordeuropäischen Handelswege, und die günstige Lage machte sie zu einem beliebten Ziel für Angriffe. Das Holstentor lag vor der Stadt direkt an dem Fluss Trave, der die Stadt mit der Ostsee verbindet.
In den teilweise 3,50 Meter dicken Mauern standen 30 Geschütze[3], doch nie wurde ein Schuss aus ihnen abgefeuert. Ursprünglich ließ es sich durch zwei Torflügel an der Außenseite verschließen.
Im 16. Jahrhundert wurde es bereits notwendig, eine ringförmig angelegte Mauer um die Stadt zu bauen. So entstand nur 15 Meter vor dem Holstentor ein zweites Tor. Dieses Vortor, eines der schönsten Bauwerke Lübecks, wurde 1853 wieder abgerissen.
Versunken und restauriert [4]
Das Holstentor hat eine wechselvolle Geschichte. Der Boden, auf dem das Tor gebaut wurde, war sehr weich.[5] Trotz aller Versuche, einen festen Grund zu legen, hielt der Boden der gewaltigen Last des Bauwerks nicht stand. Schon während der Bauzeit sank der Südturm ab, das Tor neigte sich nach Westen. Beim Bau der oberen Geschosse[6] bemühte man sich, diese Neigung auszugleichen. Aber ein weiteres Absinken war nicht zu verhindern. Heute liegen die untersten Schießscharten[7] zum Teil einen halben Meter unter der Erdoberfläche.
Mit der Zeit verfiel das Holstentor immer mehr und wurde zur Ruine. Was sollte man damit tun? Nach langen Diskussionen darüber lehnte die Lübecker Bürgerschaft 1863 mit einer Stimme Mehrheit den Antrag ab, das Tor abzureißen[8]. Danach wurde das Holstentor bis 1871 von Grund auf restauriert – wenn auch nicht in allen Teilen historisch exakt. Bei einer weiteren Erhaltungsmaßnahme[9]in den Jahren 1931/33 wurde der Bau so befestigt, dass er seitdem sicher steht.
Die Inschrift CONCORDIA DOMI FORIS PAX“ auf dem Tor weist darauf hin, dass Eintracht in der Stadt und Frieden draußen herrschen sollten. Zum Abschluss der Restaurierung im 19. Jahrhundert wurden auf die Stadtseite des Tores die Buchstaben S.P.Q.L“ gesetzt, die Abkürzung für die lateinischen Worte SENATUS POPULUSQUE LUBECENSIS – Senat und Volk von Lübeck.
Heute befindet sich in den Räumen des Holstentores ein Museum. Hier kann man die verschiedenen Waren, die in der Hansestadt gehandelt wurden, ansehen, fühlen und riechen. Ein Torturkeller[10] lässt den Besucher ahnen, wie man im Mittelalter mit den Feinden umging. Schiffsmodelle und nautische[11] Geräte berichten von den Gefahren und Abenteuern der Seefahrt und laden zu eigenen Entdeckungen ein.
Der Artikel erschien in „Der Weg“ 3/2004
[1] das Marzipan: weiche Masse aus fein gemahlenen Mandeln, Puderzucker u. Rosenwasser, aus der Süßigkeiten hergestellt werden
[2] die Befestigungsanlage: Gebäude, Mauern, Wehre zum Schutz von Wohnsiedlungen u.a.m.
[3] das Geschütz: eine (fahrbare) schwere Feuerwaffe, mit der man Granaten abschießen kann
[4] restaurieren: Kunstwerke (z.B. wertvolle Bilder), Gebäude, Möbel o.Ä. wieder in ihren ursprünglichen Zustand bringen
[5] Es befanden sich etwa sechs Meter Moor und Torf darunter, die sieben Meter hoch mit festem Material aufgeschüttet wurden. Das Tor wurde dann auf eine Balkenrost-Konstruktion gesetzt, die vermutlich auf einer Pfahlgründung ruht.
[6] das Geschoss: Etage, Stockwerk
[7] die Schießscharte: eine Lücke in einer Mauer (z.B. bei einer Burg), durch die man auf den Feind schießen konnte
[8] abreißen: etwas niederreißen oder auseinander nehmen
[9] die Maßnahme: eine Handlung, die man ausführt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen (hier: die Erhaltung des Tores)
[10] die Tortur: früher so viel wie Folter; heute: Qual; Quälerei, Strapaze
[11] die Nautik: Schifffahrtskunde