Die friedlichen Revolutionen vor 20 Jahren überwanden nicht nur die kommunistischen Diktaturen in Ostmitteleuropa, sie schufen auch die Voraussetzungen für die Überwindung der europäischen und deutschen Teilung. Am Beginn dieser Teilung stand der 2. Weltkrieg, und so erinnern wir mit Scham und Trauer an den 1.September 1939, als das nationalsozialistische Deutschland Polen überfiel. Der Überfall auf Polen und die SU war der Auftakt zu einem beispiellosen Eroberungs- und Vernichtungskrieg. Mit diesem Krieg brachte Deutschland unermessliches Leid über seine Nachbarn in ganz Europa. Nach der Befreiung Europas und Deutschlands vom Nationalsozialismus setzte die SU in Ostmitteleuropa neue diktatorische Regime durch: mit verheerenden Folgen für die Gesellschaften, für Wirtschaft und Kultur und für zahllose Menschen, die als politische Gegner verfolgt wurden oder ihr Leben verloren, weil sie den Machthabern im Wege standen. Und so tragen nicht nur die Deutschen schwer an ihrer Verantwortung für Vernichtungskrieg, Holocaust und Völkermord….
Der Tag, an dem die Mauer fiel
Ein Tag, der in die Geschichte einging: Wenige Stunden veränderten am 9. November 1989 das Schicksal unseres Volkes.
+++ 21.30 Uhr
Wenige Stunden nach den ersten Meldungen über die Grenzöffnung strömen immer mehr Berliner an die Grenzübergänge der Stadt. Die erste größere Menschenmenge – zwischen 500 und 1000 Frauen und Männer – wartet am Grenzübergang Bornholmer Straße.
+++ 22.42 Uhr
Die westdeutsche Nachrichtensendung „Tagesthemen“ berichtet: Die deutsch-deutsche Grenze ist offen. Da viele Ostberliner die Programme des westdeutschen Fernsehens schauen, machen sie sich auf den Weg Richtung Grenzübergänge. Es beginnt ein Massenansturm auf die Mauer.
+++ 23.30 Uhr
Tausende Menschen stehen inzwischen vor dem Grenzübergang Bornholmer Straße und fordern die Öffnung.
+++ 24.00 Uhr
Alle Berliner Übergänge sind offen. Auf der Mauer tanzen die Menschen vor Freude und feiern bis in den Morgen.
© nach: Deutschland www.magazine-deutschland.de
Wenn wir 2009 auf die Geschichte Europas und Deutschlands im 20. Jahrhundert zurückblicken, dann tun wir das mit Dankbarkeit und Respekt gegenüber den Menschen, die in den 4 Jahrzehnten nach 1945 immer wieder den Mut aufbrachten, die kommunistischen Diktatoren herauszufordern und für Freiheit und Demokratie einzutreten. Wir werden nicht vergessen, dass es vor allem Polen waren, die die ersten Breschen in das kommunistische Machtsystem geschlagen haben. Wir danken zugleich den Anhängern der tschechoslowakischen Charta 77, die uns ermutigt haben, in der Wahrheit zu leben. Wir erinnern auch, dass die Ungarn im Sommer 1989 den Eisernen Vorhang öffneten. Sowjetische Dissidenten haben sich lange vor Glasnost und Perestroika für die Wahrung der Menschenrechte eingesetzt.
Die friedlichen Revolutionen waren die entscheidende Voraussetzung, um die europäische und die deutsche Teilung zu überwinden. Als wir nach der Überwindung der SED-Diktatur den Weg zur Deutschen Einheit beschritten, war uns das Vertrauen unserer europäischen Nachbarn ein kostbares Geschenk. Als Folge der friedlichen Revolutionen können nun alle Deutschen zum ersten Mal in ihrer Geschichte in Freiheit und Demokratie, in Wohlstand, in anerkannten Grenzen und in wechselseitiger Achtung und Freundschaft mit ihren Nachbarn leben.
Wie das Jahr 1939 ist 1989 – wenn auch auf gegensätzliche Weise – zum europäischen Schicksalsjahr geworden. Ein freies und demokratisches Europa muss sich seiner Geschichte bewusst sein. Es braucht die Erinnerung an die kommunistische Ära und an ihre Überwindung. Ein erster Schritt ist getan: Im April 2009 hat sich das Europäische Parlament erstmalig zu dieser Verantwortung bekannt. Dieser Weg ist weiter zu gehen. Europa braucht eine aktive, verantwortungsbewusste Erinnerungskultur, die die nachwachsenden Generationen für neu aufkommende autoritäre und diktatorische Entwicklungen sensibilisiert.
Aus einer Erklärung namhafter deutscher Wissenschaftler, Künstler und Politiker zum 70. Jahrestag des Hitler-Stalin-Paktes.
(Den vollständigen Text finden Sie unter www.23august1939.de )
Der Artikel erschien in „Der Weg“ 4/2009
[1] Beginn
[2] unbeschreiblich schlimm
[3] die Herrscher
[4] eine Bresche schlagen= einen Anstoß geben, etwas in Bewegung bringen
[5] eine 1977 von tschechoslowakischen Intellektuellen veröffentlichte Resolution gegen den Verstoß gegen die Menschenrechte
[6] Bezeichnung für die Abgrenzung der kommunistischen Staaten gegenüber den westlichen Demokratien