Das Forschungszentrum Jülich
Neue Materialien, umweltfreundliche[1] Energien, die Therapie von bisher unheilbaren Krankheiten und die Ursachen des Klimawandels – das sind nur einige von vielen Themen, für die das Forschungszentrum Jülich Lösungen sucht.
Jülich, eine Kleinstadt ganz im Westen Deutschlands mit 33000 Einwohnern, verteilt auf Kernstadt und 15 umliegende Dörfer. Nichts Weltbewegendes[2]. Dennoch fand die „Grünmetropole[3]„, wie sich Jülich gern nennt, in jüngster Zeit häufiger den Weg in die Weltpresse. Das hat mehrere Gründe. Erstens ging im Oktober 2007 der Physik-Nobelpreis an Peter Grünberg vom Forschungszentrum Jülich und an seinen französischen Kollegen Albert Fert für die Entdeckung des Riesenmagnetowiderstandes[4]. Zweitens ging in Jülich im Februar 2008 der weltweit leistungsfähigste Rechner im zivilen Bereich in Betrieb. Und drittens ist das Forschungszentrum nicht nur eins der größten in Europa, sondern es sorgt mit seinen Entdeckungen auch immer wieder für Schlagzeilen[5].
Aber der Reihe nach: 1956 gründete der Landtag Nordrhein-Westfalens eine Großforschungsanlage[6] bei Jülich. Dort sollte vor allem die Kernspaltung untersucht werden. Als die Bevölkerung in den 1980er-Jahren die Kernenergie zunehmend ablehnte, orientierte sich die Kernforschungsanlage Jülich neu.
Heute hat „Jülich“ seine Schwerpunkte in den Bereichen Physik, Supercomputing und Materialwissenschaften und stellt sich den künftigen Herausforderungen in den Bereichen Gesundheit, Energie und Umwelt sowie Information. Viele neue Gebiete der Forschung haben ihre Wurzeln in der Kernforschung.
Auch die Festkörperforschung und die Umweltforschung wurden weiter ausgebaut und durch andere Disziplinen ergänzt. Und weil mit der Informationstechnologie ein weiterer Schwerpunkt entstanden war, lag in Jülich die Verwendung des eben entdeckten Riesenmagnetowiderstandes für die Computertechnik auf der Hand[7]. Bereits 1997 speicherte der erste damit konstruierte Lese-Schreib-Kopf sehr viele Daten auf sehr engem Raum. Heute funktioniert kaum noch ein Computer oder Laptop ohne diesen Effekt.
Das Forschungszentrum Jülich mit seinen 4400 Mitarbeitern hat sich inzwischen zu einer kleinen Stadt mit 40 Kilometer Straßen- und Wegenetz entwickelt. Es gehört zur Helmholtz-Gemeinschaft, die ihrerseits mit 26.500 Mitarbeitern in 15 Instituten und einem Jahresbudget von 2,3 Milliarden Euro die größte Forschungsorganisation Deutschlands ist. Die Gemeinschaft widmet sich den großen und drängenden[8] Fragen der Menschheit und ist international gut vernetzt[9]. Allein 800 Gastwissenschaftler aus mehr als 50 Ländern kommen jedes Jahr nach Jülich, um zu forschen und sich mit Kollegen auszutauschen.
Die Umweltforschung ist auch ein Bereich, in dem das Forschungszentrum Jülich bereits vor Jahrzehnten stark war. Wie „Ozonloch“ und „Klimawandel“ zusammenhängen, untersuchen die Jülicher Forscher auch heute noch.
Ergänzt wird die Umweltforschung durch die Energieforschung. In Jülich werden Fotozellen entwickelt, die mit so genanntem „amorphem Silizium“ Elektrizität billiger als bisher direkt aus Sonnenlicht gewinnen sollen. Ingenieure basteln[10] gleichzeitig an der Wasserstofftechnologie, mit der in Zukunft Brennstoffzellen die Energie für Fahrzeuge liefern dürften. „Energie und Umwelt gehören für uns zusammen“, erklärt Peter Schäfer, Mitarbeiter in der Konzernkommunikation. Daher untersuchen die Jülicher auch gleich, welche Auswirkungen die Wasserstofftechnologie auf die Umwelt haben könnte. Die Energie der Zukunft könnte auch aus der Kernfusion stammen. Hier arbeitet die Weltgemeinschaft zusammen, um aus dem Verschmelzen von reichlich vorhandenen Wasserstoff-Atomen in vielleicht 35 Jahren Strom zu gewinnen.
Aber auch der Gesundheitsbereich ist längst ein wichtiges Standbein[11] im Forschungszentrum Jülich. Immer mehr Menschen werden immer älter. So ist es ein Ziel der Jülicher Gesundheitsforschung, die Diagnose und Therapie von altersbedingten[12] Erkrankungen des Gehirns zu verbessern. Dabei nutzen die Forscher modernste Technologie und gewinnen dadurch tiefere Einblicke als an irgendeinem anderen Ort auf der Welt.
Für diese riesige Palette von Vorhaben benötigen die Jülicher Forscher, die eng mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen, aber auch mit den Universitäten in Bonn, Köln und Düsseldorf zusammenarbeiten, gute Rechner. In dieser Hinsicht hat Jülich Außergewöhnliches zu bieten: den Supercomputer „Jugene“, mit 65.536 Prozessoren der weltweit leistungsfähigste Rechner für die zivile Nutzung. Nur ein Rechner in den USA bringt mehr Leistung. Forscher aus ganz Deutschland stellen Anträge zur Berechnung ihrer Simulationen, denn der Computer erledigt Berechnungen, die sonst Wochen oder Monate dauern würden, in nur wenigen Stunden. Und so wird die nächste Schlagzeile aus der „Grünmetropole“ nicht lange auf sich warten lassen.
Roland Knauer (gekürzt)
Der Jugene rechnet 167 Billionen Operationen pro Sekunde (Teraflops)
© Forschungszentrum Jülich
Der Artikel erschien in „Der Weg“ 2/2008
[1] gut für die Umwelt
[2] herausragend
[3] eine Stadt im Grünen
[4] Der sogenannte Riesenmagnetowiderstand (GMR) bedeutet, dass sich in sehr dünnen Schichten unter bestimmten Bedingungen der elektrische Widerstand eines Leiters ändert, wenn er einem Magnetfeld ausgesetzt ist. Der Effekt ermöglichte die Entwicklung neuer Leseköpfe in kleinen Computerfestplatten. Dadurch konnte die Speicherkapazität der Laufwerke nicht nur für PCs, sondern auch für Videorecorder und tragbare Musikabspielgeräte (MP3-Player) in den Gigabyte-Bereich gesteigert werden.
[5] .jmd./etw. sorgt für Schlagzeilen: jemand / etwas erregt so viel Aufsehen, dass die Presse viel über sie berichtet
[6] ein Zentrum, wo auf vielen Gebieten geforscht werden kann
[7] [klar] auf der Hand liegen: offenkundig sein
[8] Fragen, die sehr bald gelöst werden müssen
[9] hat internationale Kontakte
[10] sich beschäftigen; sich an etw., was verbesserungsfähig, um- od. ausbaufähig ist, handwerklich od. technisch betätigen
[11] Bereich, Gebiet
[12] durch das Alter hervorgerufen