Deutsche Jugend heute – die „Pragmatische Generation“ ***

„Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widerspricht ihren Eltern und tyrannisiert die Lehrer.“ Der griechische Philosoph Sokrates soll das gesagt haben, und das ist nun 2400 Jahre her. Seitdem sind ganze Generationen junger Leute zu Skeptikern oder Rebellen erklärt worden, zu Anhängern des „Null Bock“, wie man heute sagt.

Was soll aus denen bloß werden? Eine oft gestellte Frage. Vermutlich werden aus ihnen Erwachsene, die ihrerseits über die Jugend den Kopf schütteln, denn der besorgte Blick von Eltern spiegelt den Grundkonflikt der Generationen wider: Erwachsene stehen hilflos vor der Mischung aus Aggression und Resignation, die sie an den Jugendlichen beobachten. Sie sind enttäuscht, weil ihre Kinder „so anders“ sind.

Und dennoch: Im Frühjahr 2005 haben Jugendforscher in Deutschland eine Studie veröffentlicht, nachdem sie zweieinhalbtausend junge Menschen zwischen 12 und 25 Jahren befragt hatten. Die Ergebnisse sind erstaunlich: Die Jugendlichen blicken mehrheitlich optimistisch in die Zukunft, denken positiv, wollen beruflich aufsteigen statt „aussteigen“. Sensationelle 90 Prozent sagen, dass sie sich gut mit ihren Eltern verstehen. Ebenso viele halten die Demokratie für eine gute Staatsform. Ein sozialistisches System hat ebenso wenig Chancen wie Gewalt von rechten Extremisten. Eine selbstbewusste, pragmatische Generation wächst heran. Die jungen Leute wollen ihr Leben selbst gestalten. Trotz aller Sorgen vor Arbeitslosigkeit; träumen sie von einem gut bezahlten Job, ja von einer besseren, gerechteren Welt. Die Mehrheit von ihnen ist sehr kontaktfreudig[1] und bekennt sich zur Toleranz. Die Jugendlichen sind längst nicht so egoistisch, wie oft von den Erwachsenen behauptet wird. Für das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) [2] gibt es seit Jahren mehr Bewerber als freie Plätze. Drei von vier Jugendlichen engagieren sich in der Sozialarbeit, im Umweltschutz, in den Kirchen. Die Bereitschaft, etwas für die Gemeinschaft zu tun, ist groß.

Erarbeiten Sie eine Stellungnahme: Ist der Vorwurf vieler Pädagogen berechtigt, dass die Eltern ihren Erziehungsauftrag schlecht erfüllen?

Pro-Argumente: Viele Kinder scheinen schlecht erzogen zu sein, sind vorlaut[3], egoistisch, rücksichtslos, haben schlechte Umgangsformen[4], können sich nicht anpassen[5].

Manche Eltern und Lehrer halten es für ausreichend, dass der Fernseher oder der Computer als „Erziehungsinstrument“ dienen.

Eltern sind oft zu bequem, beruflich zu sehr gestresst, mit sich selbst beschäftigt und vernachlässigen so die Erziehung ihrer Kinder.

Viele Kinder sind Opfer der rasant zunehmenden Ehescheidungen, sie wachsen nicht mehr in intakten Familien auf.

Contra-Argumente: Viele Eltern bemühen sich sehr um eine gute Schulbildung für ihre Kinder. Sie informieren sich umfassend[6], welcher Schultyp für ihr Kind der richtige ist, und sind auch bereit, finanzielle Opfer zu bringen, um ihre Kinder auf Spezialschulen (z.B. Musikschulen) oder Privatschulen zu schicken.

Die meisten Eltern nehmen ihren Erziehungsauftrag ernst. Sie wissen, dass Erziehung zuerst im Elternhaus geschieht durch Vorbildwirkung und gegenseitiges Vertrauen. Sie setzen ihren Kindern bestimmte Grenzen und geben ihnen so klare Orientierung.

Der Artikel erschien in „Der Weg“ 2/2009

 

[1] nimmt gern Kontakte auf zu anderen
[2] ein Jahr Arbeit in einer sozialen Einrichtung, ab 18 Jahre möglich
[3] zu schnell eine negative Meinung äußern
[4] Manieren
[5] kein Verständnis haben für andere
[6] nach vielen Richtungen