Lieber Astronom als Theologe
Wir sehen, wie täglich die Sonne am Himmel von Osten nach Westen läuft. In Wirklichkeit läuft jedoch nicht die Sonne um die Erde, sondern die Erde um die Sonne. Das hat Nikolaus Kopernikus entdeckt – mit weitreichenden Folgen. Kopernikus wurde 1473 in Thorn (heute polnisch Torun) an der Weichsel als Sohn deutschstämmiger Einwanderer geboren (seine Muttersprache war Deutsch). Sein Vater war ein wohlhabender Kaufmann. Beide Eltern starben früh.
Nikolaus Onkel Lukas Watzelrode nahm sich des verwaisten Jungen an. Er war Bischof des Ermlandes mit Sitz in Frauenburg an der Ostsee (heute polnisch Frombork). Nikolaus studierte in Krakau Theologie, um Geistlicher zu werden. Aber er interessierte sich mehr für Mathematik und die Bewegungen der Gestirne. So sollte er wenigstens kirchlicher Verwaltungsbeamter werden. Dafür ging er zum Studium des Kirchenrechts aber auch der Astronomie an einige italienische Universitäten. In Bologna bezeichnete er sich als „Angehöriger der deutschen Nation [2]„. Er wurde ein umfassend gebildeter humanistischer Gelehrter.
Domherr in Frauenburg
1503 kehrte Kopernikus in seine Heimat zurück. Sein Onkel hatte ihm inzwischen die gut
bezahlte Stelle eines Domherrn, eines Kanonikus, am Frauenburger Dom verschafft. Die vornehmen Domherren waren in der kirchlichen Verwaltung tätig. Sie konnten, mussten aber nicht, Priester sein. Doch mussten sie ehelos bleiben, durften aber ein weltliches Leben führen mit allen Bequemlichkeiten.
Kopernikus war ein gewandter Weltmann. Glaubensfragen (damals trat Luther auf) interessierten ihn nicht. Als Domherr hatte er, neben anderen Aufgaben, mit den Finanzen des Bistums und der Verwaltung seiner Ländereien zu tun. Größtenteils lebte er in Frauenburg.
Die Entdeckung der Erdbewegung
Seit dem Altertum glaubte man an einen geordneten Aufbau der Welt: Mittelpunkt des Weltalls ist die Erde mit den Menschen. Auf ihr hat Gott die Menschen erschaffen und erlöst. Um die Erde bewegen sich auf Kreisbahnen Sonne, Mond und die Planeten (Venus, Jupiter usw.) sowie das Himmelsgewölbe mit den daran angehefteten Fixsternen.
Kopernikus hatte noch kein Fernrohr. Aber er wusste aus der Beobachtung des Himmels um Unregelmäßigkeiten in den Bewegungen der Planeten. Diese laufen z. B. nicht immer auf einer Kreisbahn, sondern schleifenförmig, und auch nicht immer mit der gleichen Geschwindigkeit (später hat Kepler ihre Bahnen genau errechnet).
Aus diesen Unregelmäßigkeiten schloss Kopernikus nun, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt, und dass die Erde sich um sich selber dreht und nicht das Himmelsgewölbe um die Erde.
Das neue Weltbild
So hat Kopernikus das geozentrische[3] durch das heliozentrische[4] Weltbild ersetzt. Das heliozentrische Weltbild wird zu Kopernikus‘ Ehren auch das „Kopernikanische Weltbild“ genannt.
Kopernikus wusste, dass viele Gelehrte, besonders aber die Kirche, sich dagegen stellen würden. Noch hundert Jahre später zwang die katholische Kirche Galileo Galilei zu der Aussage: „Die Erde bewegt sich nicht“. Deshalb veröffentlichte er seine Entdeckung erst kurz vor seinem Tod 1543 in seinem Buch „Die Bewegungen der Himmelskörper“.
Denn wenn die unbewegte Erde mit dem Menschen nicht mehr im Mittelpunkt des Weltalls steht, so ist der Mensch anscheinend unwichtig. Sein Dasein verliert seinen Sinn. Die letzte Konsequenz ist der moderne einsame, einem blinden Schicksal ausgelieferte Mensch ohne Gott.
Aber die Bibel weiß: Gott ist überall, auch auf dem fernsten, unscheinbarsten Himmelskörper. Wir sind immer in seiner guten Hand (Psalm 139,7f).
Hans Misdorf
Der Artikel erschien in „Der Weg“ 1/2009
[1] eigentlich: Niclas Koppernigk
[2] Wir wollen mit diesem Artikel nicht den alten Streit klären, ob Kopernikus nun Deutscher oder Pole war. Kopernikus stammte aus und wirkte in einem Umfeld, das sowohl zum deutschen als auch zum polnischen Kulturkreis gehörte. Jeder Versuch, Kopernikus nur für eine der beiden Nationen zu beanspruchen, klammert wichtige Aspekte seiner Person aus.
[3] die Erde im Mittelpunkt
[4] die Sonne im Mittelpunkt