Liebe Irina;
es tut mir Leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe. Die Woche vergeht oft wie im Flug. Da ich mich schon an vieles in Deutschland angepasst habe, ist der Ablauf der Woche inzwischen auch bei mir ganz durchorganisiert.
Eine typische deutsche Woche
So will ich Dir heute kurz und knapp eine typische deutsche Woche [1] beschreiben:
Montag ist Waschtag. In fast jedem Haushalt laufen die Waschmaschinen auf Hochtouren. Die Wäsche wird oft schon am frühen Morgen gewaschen, damit man sie am Nachmittag und Abend gleich bügeln kann. Das ist möglich, wenn die Wäsche im Wäschetrockner oder – bei schönem Wetter – im Freien getrocknet wird. Am Anfang war dies für mich fremd, da ich es von Russland gewohnt war, die Wäsche zu beliebiger Zeit zu erledigen. Außerdem fiel mir auf, dass viele Deutsche die Wäsche aufwendig sortieren. Vielfach achtet man schon beim Anziehen darauf, dass die Kleidung zum Beispiel in ihrer Farbe zum nächsten Waschtag passt.
Der Dienstag hat keine Besonderheiten. Oft bügle ich an diesem Tag noch die restliche Wäsche und sortiere sie in die Schränke.
In ländlichen Gegenden ist für den Mittwoch charakteristisch, dass die kleinen Läden, Behörden und auch viele Arztpraxen am Nachmittag geschlossen sind. Ich habe lange gebraucht, mich daran zu gewöhnen. Manchmal stand ich schon vor verschlossener Tür, weil ich vergessen hatte, dass es Mittwochnachmittag war.
Zum Ausgleich dafür sind viele Behörden, Arztpraxen und Banken am Donnerstagabend etwas länger geöffnet. Dies ist praktisch, weil man für einen Termin nicht extra die Arbeit früher beenden muss, was nicht immer möglich ist.
Der Freitag ist für viele Leute der letzte Arbeitstag der Woche. An diesem Tag können viele von der Arbeit früher nach Hause gehen. So nützen die Leute den Freitagnachmittag gerne zum Einkaufen in den Supermärkten. Es wird auch viel auf Vorrat gekauft. Vergiss nicht, Irina, am Sonntag sind die Geschäfte geschlossen. Und es darf nichts fehlen!
Die Geschäfte sind geschlossen
Ja, in Deutschland gibt es ein Gesetz, das die Öffnungszeiten begrenzt. Da am Sonntag nur die teuren Restaurants und die Tankstellen mit einem kleinen, teuren Sortiment zur Verfügung stehen, muss man immer rechtzeitig an die Einkäufe denken. Das wäre in Russland undenkbar, wo viele Geschäfte rund um die Uhr geöffnet sind. Du brauchst Dich nicht zu wundern, Irina, es war für die Deutschen schon ungewöhnlich, als der gesetzliche Ladenschluss von 18:30 Uhr auf 20 Uhr verlängert wurde. Manchmal denke ich, es wäre praktisch, wenn man abends um 22 Uhr einkaufen könnte, wenn die Kinder schon schlafen. In einigen Bundesländern ist das bereits möglich. Es gibt in der letzten Zeit viele Diskussionen mit dem Ziel, den gesetzlichen Ladenschluss ganz abzuschaffen.
Alles muss sauber sein
Am Samstag wird allgemein viel geputzt. In Mehrfamilienhäusern muss jeder Bewohner nach einem vorher festgelegten Plan das Aufräumen und Reinigen besorgen. Wer an der Reihe ist, ist verantwortlich dafür, dass es im Treppenhaus und um das Haus herum sauber ist [2]. Im Winter gehört auch das Schneeräumen dazu. Viele Deutsche lieben ihren Garten über alles. Der Garten ist neben dem Auto des Deutschen liebstes Hobby. Man sieht die Leute vor allem am Samstag viel im Garten arbeiten, das Auto waschen und Renovierungsarbeiten ausführen.
Sonntag ist Ruhe angesagt
Der Sonntag ist der Ruhetag. Das habe ich wirklich zu schätzen gelernt. Am Sonntag erholen sich die Leute. Viele schlafen sich aus. Christen gehen am Sonntagvormittag zum Gottesdienst. Nachmittags trifft man sich mit Verwandten, Freunden oder Bekannten zum gemeinsamen Kaffeetrinken und Kuchenessen. Das Leben der Deutschen spielt sich – anders als in Russland – kaum auf der Straße ab. Die Deutschen sind gerne zu Hause, natürlich sind sie auch viel mit dem Auto unterwegs oder machen Besuche.
Den Sonntag genieße ich immer ganz besonders, da ich diesen Tag mit meiner Familie verbringe. So besuchen wir am Vormittag den Gottesdienst, um wieder Kraft für die neue Woche zu bekommen. Am Nachmittag machen wir dann häufig kleinere Ausflüge oder gehen in unserem Dorf spazieren. Den Tag beschließen wir – wie jeden Tag – mit Bibellesen, geistlichen Liedern und Gebet. Also, ich muss nun ran an die Wäscheberge.
Mach‘ s gut, bis bald,
Deine Elena
Der Artikel erschien in „Der Weg“ 1/2007
[1] In Schwaben, wo Elena wohnt, ist vieles noch traditioneller als in anderen Gebieten Deutschlands. Nicht überall, vor allen bei jüngeren Leuten, ist alles so geplant!
[2] Die Woche, in der eine Mietpartei verpflichtet ist, die Treppe [den Bürgersteig o.Ä.] zu reinigen ist in Schwaben als Kehrwoche bekannt.