Wenn der Herbst kommt, dann werden auch die vielen Früchte im Garten und auf dem Feld geerntet. Getreide, Obst und Gemüse sind gereift und werden uns bald schmecken. Für viele Menschen, die in Städten wohnen und keinen eigenen Garten haben, ist dies heute gar nicht mehr zu sehen. Sie gehen in den Supermarkt und kaufen alles ein, was sie brauchen. Aber der Bauer und jeder, der einen Garten hat, weiß, wie lange es dauert, bis aus dem kleinen Saatkorn eine große Ähre [1] wächst. Und wie lange die Tomate und der Kürbis [2] wachsen müssen, bis sie reif sind und lecker schmecken.
Alte Erntebräuche
Erntefeste gibt es in vielen Kulturen. Früher hatte man den Naturgöttern gedankt. Heute aber danken Christen Gott, dem Schöpfer. Er allein hält und erhält die Natur und schenkt die Ernte.
Als noch viele Menschen auf dem Lande arbeiteten, gab es viele Erntebräuche. Nach dem Einbringen der letzten Früchte, dankte man für eine gute Ernte und für das gute Wetter. Dabei überreichten die Mägde [4] und Knechte dem Dienstherren [5] und seiner Familie Geschenke, und anschließend feierte man ein großes Fest, bei dem gesungen, getanzt und gespielt wurde.
Noch heute gibt es in einigen Gegenden den Erntedankzug. Dann fahren schön geschmückte Wagen durch das Dorf, oft von Musik begleitet. Auf den von Pferden oder Traktoren gezogenen Wagen liegen Getreide, Früchte und Gemüse. Kinder und Erwachsene ziehen oft alte Trachten an und zeigen einige der alten Erntebräuche. Oft bindet man aus Getreidehalmen auch schwere Erntekränze und Erntekronen.
Gott, Geber aller guter Gaben
Schon früh gab es Erntedankfeste auch in der Kirche, aber erst im 19. Jahrhundert wurde das Erntedankfest in Preußen ein offizieller Festtag. Normalerweise feiert man diesen Tag am ersten Oktobersonntag. Dann schmückt man die Kirchen mit vielen bunten Sachen aus der Natur. Äpfel, Birnen, Pflaumen, Kartoffeln, Kürbisse, Rüben [5], Blumen und vieles andere legt man dann auf und um den Altar [6]. Auch Brot gehört dazu oder einige Gläser oder Dosen mit eingemachten [7] Früchten.
Gemeinsam lobt man Gott in der Kirche oder auch in der freien Natur. Gott ist derjenige, der das Leben schenkt und alles, was das Leben enthält. Wir Menschen können zwar vieles tun, aber auf die Natur haben wir noch keinen Einfluss. Ob Regen oder Trockenheit, Sonne, Wind oder Gewitter – wir können nicht bestimmen, welches Wetter es gibt. Deswegen danken wir Gott für seine Geschenke und denken auch an die, denen es nicht so gut geht wie uns. Und wir denken neu nach über die oft gedankenlos benutzten Worte: Gott sei Dank!
[1]die Ähre: der oberste Teil eines Getreidehalms, an dem sich die Körner befinden
[2] der Kürbis: eine niedrige Pflanze mit sehr großen runden, meist gelben Früchten, die man als Gemüse isst
[3] die Magd/der Knecht: (veraltd.) eine Frau/ein Mann, die/der als Arbeiter(in) auf einem Bauernhof tätig ist
[4] der Dienstherr: (heute) Arbeitgeber
[5] die Rüben: eine Pflanze mit einer sehr dicken Wurzel, die man besonders als Futter für Tiere verwendet
[6] der Altar: (hier) eine Art Tisch (aus Holz oder Stein) in christlichen Kirchen
[7] einmachen: Lebensmittel durch Einkochen oder Einlegen konservieren