Sind Christen nur Spinner ?

Durch einen Schüleraustausch mit Schweden lernte ich 1979 eine junge Frau kennen, die ungefähr ein Jahr zuvor Christin geworden war. Begeistert war sie bei der Sache und versuchte, mich zu missionieren. Da war sie gerade an die Richtige geraten! Ich bin in keiner Weise christlich erzogen worden. Als Siebzehnjährige hielt ich Christen, wie alle anderen Religionsanhänger, für Spinner und Tagträumer, die vor der Realität fliehen. Die Evolutionstheorie entsprach genau meinem Weltbild: Die Entstehung des Lebens als Zufallsprodukt. Es ist verständlich, daß Monica und ich uns deshalb ständig stritten. Trotzdem, und das ist verwunderlich, hatten wir ein großes Interesse aneinander und verstanden uns in anderen Bereichen prima. Aus dem Schüleraustausch entwickelte sich eine dicke Freundschaft. Wir trafen uns in den folgenden Jahren häufig und stritten weiter über die Existenz eines Gottes: Sie schleppte mich in Gottesdienste und zu Bibelkreisen, was das Bild von Phantasten und Träumern bei mir noch verstärkte.

Wo liegt der Sinn?

Ich besuchte Monica in ihrer Wohngemeinschaft von fünf jungen Frauen, die ihr Christsein miteinander lebten. Sie beteten bei Tisch, lasen in der Bibel, sangen und hörten christliche Lieder und nahmen an Gottesdiensten teil. Ich wurde zur Zuschauerin und Teilhaberin. Man bezog mich einfach ein. Trotzdem fehlte mir etwas, was die anderen miteinander teilten. War das der Glaube? Es stellten sich mir Fragen nach dem Wieso und Warum des Lebens. Evolutionstheorie, Moral, Weltanschauung, alles schön und gut. Aber wo liegt der Sinn?

Alles nur „Zufall“?

Ich habe damals nach einer Bibel gegriffen und angefangen zu lesen. Aus Gesprächen war bei mir hängengeblieben, daß das Alte Testament am Anfang schwierig sei, also schlug ich irgendwo eine Seite im Neuen Testament auf. Beim Lesen passierte überhaupt nichts, keine Erleuchtung, kein Halleluja. Die Geschichte im Neuen Testament langweilte mich. Ich klappte die Bibel zu und war enttäuscht. Doch am Abend hatte ich mich so weit aufgerappelt, daß ich es mit einem Gebet versuchte: „Gott, wenn es dich gibt, bist du jetzt dran. Tu etwas, damit ich sehe, daß du da bist.“ Am nächsten Morgen schnappte ich mir also wieder die Bibel und ein Buch dazu. „Es ist Zeit zu beten – aber wie?“ lautete der Titel. Das entsprach ziemlich genau meiner geistigen Verfassung. Aber wie? Ich las also zuerst in dem Buch und bekam daraus Anweisungen, Bibelstellen nachzuschlagen. Sehr spannend war das immer noch nicht. Bis ich plötzlich bei einer Textstelle feststellte: „Das kenn ich ja!“ Ich las genau dieselbe Stelle, die ich am Tag vorher willkürlich aufgeschlagen hatte. Freude stieg in mir auf und die Hoffnung, dieser Gott, den die anderen kannten und den ich suchte, könnte diesen „Zufall“ in der Hand gehabt haben. Ich entdeckte, daß die Erfahrungen der letzten Jahre von solchen „Zufällen“ durchzogen waren. Es schien mir nun, als habe Gott meinen Weg begleitet, ohne daß ich es gewußt oder gewollt hatte. Von da an war ich entschlossen, diesen Gott zu suchen und zu finden, denn an seine Existenz glaubte ich. Damals habe ich mich ziemlich (vor)schnell als Christin bezeichnet. Ich drücke meine Entwicklung im Nachhinein viel vorsichtiger aus.

Mit vielen Aussagen des christlichen Glaubens hatte ich so meine Schwierigkeiten: Auferstehung Jesu, Jungfrauengeburt, Heilung von Kranken und die Frage: „Wie zeigt sich Gott in anderen Religionen?“ Es gab so einiges, was mir nicht so ganz verständlich war und es auch noch immer nicht ist.

Durch Freunde habe ich in Hamburg einen Bibelkreis gefunden, in dem wir regelmäßig Texte der Bibel lesen und versuchen, sie auf unser Leben zu beziehen. Wir denken gemeinsam nach über unsere Verantwortung für die Schöpfung und versuchen, im Umgang miteinander freundlicher zu sein und eher zu verzeihen.

Wiebke, Hamburg-Harburg

Mit freundlicher Genehmigung entnommen aus dem Buch: „erlebt und erzählt“ © Campus für Christus

 

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