Paul Gerhardt – ein Meister des Kirchenliedes

Paul Gerhardt (1607-76) wurde am 12. März vor 400 Jahren in der kleinen Stadt Gräfenhainichen in Sachsen geboren. Seine Geburtsstadt liegt unweit der Lutherstadt Wittenberg. Sein Vater war Bürgermeister und Gastwirt, seine Vorfahren mütterlicherseits waren Pfarrer. Paul Gerhardt gilt neben Martin Luther als einer der bedeutendsten deutschen Dichter von Kirchenliedern. Seine Lieder werden auch in der katholischen Kirche und in Kirchen des Auslands gesungen. Aus seinen Versen spricht heiteres Gottvertrauen, doch erzählen sie auch viel von Angst und Bedrückung während der schrecklichen Zeit des Dreißigjährigen Krieges.

Paul Gerhardt ist durch viel Not gegangen. So hatte er schon mit 14 Jahren beide Eltern verloren. Und fast während der Hälfte seines Lebens tobte[1] der furchtbare Dreißigjährige Krieg in Deutschland (1618-48). Viele Städte und Dörfer wurden damals zerstört, auch Paul Gerhardts Heimatstadt Gräfenhainichen. Unter diesen schmerzlichen Eindrücken sind wohl die folgenden Verse entstanden:

„Erhebe dich und steu`re dem Herzleid auf der Erd,
bring wieder und erneure die Wohlfahrt deiner Herd[2].
Lass blühen wie zuvor, die Länder, so verheeret[3],
die Kirchen, so zerstöret durch Krieg und Feuerszorn[4].
Du bist ein Geist ,der lehret, wie man recht beten soll;
dein Beten wird erhöret, dein Singen klinget wohl,
es steigt zum Himmel an, es lässt nicht ab und dringet,
bis der die Hilfe bringet, der allen helfen kann.“

Dichter des Gottvertrauensvertrauens

Trotz schwerer persönlicher Schicksalsschläge ruft der Dichter immer wieder zum Gottvertrauen auf. Sein wohl bekanntestes Lied lautet:

Befiehl[5] du deine Wege
und was dein Herze kränkt
der allertreusten Pflege
des, der den Himmel lenkt.
Der Wolken, Luft und Winden
gibt Wege, Lauf und Bahn,
der wird auch Wege finden,
da dein Fuß gehen kann.

Weil Paul Gerhardt selber viel Leid durchgemacht hat, kann er auch andere wunderbar trösten.

„Alles vergehet, Gott aber stehet ohn alles Wanken;
seine Gedanken, sein Wort und Wille hat ewigen Grund.
Sein Heil und Gnaden, die nehmen nicht Schaden,
heilen im Herzen die tödlichen Schmerzen,
halten uns zeitlich und ewig gesund.“

Seine Sprache ist voll Innigkeit[6] und Wärme. In seiner Bescheidenheit hat er seine Lieder nie selbst veröffentlicht.

Paul Gerhardt wollte Pfarrer werden. Nach dem Theologiestudium fand er jedoch in dem durch den Krieg verwüsteten Deutschland keine Pfarrstelle. 1643 zog er nach Berlin. Dort machte er Bekanntschaft mit Johann Crüger, dem führenden Kirchenmusiker der Stadt, der so Paul Gerhardts Verse kennenlernte. Crüger war begeistert von der gedanklichen Tiefe und Aussagekraft der Texte und veröffentlichte bis 1661 fast 100 von Gerhardts Liedern, die rasch über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt wurden. Zusammen mit seinem Nachfolger Ebeling hat er die mehr als 120 geistlichen Lieder Paul Gerhardts mit schönen Melodien vertont und herausgegeben.

So entstanden für das Kirchenjahr die Lieder: „Wie soll ich dich (Jesus) empfangen“ (Advent), „Ich steh an deiner Krippen hier“ (Weihnachten), „O Haupt voll Blut und Wunden“ (Passion), „Auf, auf, mein Herz, mit Freuden“ (Ostern) und das Bittlied um den Heiligen Geist „Zieh ein zu deinen Toren“ (Pfingsten).

Erst im Alter von 44 Jahren bekam er in dem Städtchen Mittenwalde bei Berlin eine Anstellung als Pfarrer. Jetzt sah er auch die materielle Grundlage für eine Heirat.

Freude und Dank

Ein zweites Thema neben dem Vertrauen auf Gott ist in Paul Gerhardts Liedern die Freude an Gott und der Dank an ihn für seine vielen guten Gaben an uns Menschen. Die erste Strophe seines „Sommerliedes“ lautet:

Geh aus, mein Herz, und suche Freud
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben;
schau an der schönen Gärten Zier[7]
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben.

1657 wurde Paul Gerhardt als Pfarrer nach Berlin berufen, wo jedoch neue Not auf ihn zukam. Dort bekämpften sich die Konfessionen der Lutheraner und Reformierten, obgleich beide evangelisch waren. Der damals in Brandenburg/Preußen regierende Große Kurfürst Friedrich Wilhelm I. trat diesem Streit energisch entgegen.

Der lutherische Paul Gerhardt war ein friedliebender, freundlicher, sensibler Mensch. Aber um seines Gewissens willen meinte er, in der Auseinandersetzung mit den Reformierten nicht schweigen zu dürfen. So hat der Große Kurfürst ihn schließlich 1668 als Pfarrer abgesetzt.

Nach nur 13 Jahren glücklicher Ehe starb Paul Gerhardts Frau mit 45 Jahren. Dies war für ihn ein tiefes Leid. Von seinen fünf Kindern starben vier sehr früh, nur ein Sohn blieb am Leben.

An Gott festgehalten

Am Schluss seines Lebens war Paul Gerhardt noch sieben Jahre Pfarrer in dem Städtchen Lübben. Jedoch hat er in seinen letzten Lebensjahren keine Lieder mehr verfasst. In all der vielen Not seines Lebens hat er an Gott festgehalten, und Gott hat ihn nie verlassen. Aber am Ende seines Lebens war er müde geworden:

So will ich zwar nun treiben
mein Leben durch die Welt.
Doch denk ich nicht zu bleiben
in diesem fremden Zelt.
Ich wandere meine Straße,
die zu der Heimat (dem Himmel) führt,
da mich ohn alle Maße
mein Vater trösten wird.

Am 27. Mai 1676 starb Paul Gerhardt, fast siebzig Jahre alt. In seinen Liedern lebt er bis heute fort. Paul Gerhardts Lieder haben sich über die ganze Welt verbreitet, sie wurden in viele Sprachen übersetzt. Unzählige Menschen haben daraus Kraft, Trost und Gottvertrauen geschöpft.

Hans Misdorf

Der Artikel erschien in „Der Weg“ 3/2007

[1] Unheil anrichten
[2] Herd: gemeint ist: Herde= die Gemeinde
[3] zerstört
[4] gemeint ist: Zerstörung durch schlimme Brände
[5] befiel = anbefehlen, anvertrauen
[6] tiefe Liebe
[7] der Schmuck