Die Sitte, vornehmlich am Abend des Karsamstags oder des ersten Ostertags auf freien Feldern oder Anhöhen hohe Holzhaufen zu errichten und anzuzünden, ist der wohl bekannteste Osterbrauch.
Mit dem Osterfeuer feiert man die Auferstehung Jesu, die Befreiung von allem Bösen und das ewige Leben.
Normalerweise beteiligt sich daran ein ganzes Dorf oder zumindest ein großer Freundes- und Bekanntenkreis. So ist das Abbrennen des Osterfeuers noch immer ein Gemeinschaftsfest, wie es in seiner ursprünglichen Form als Frühlingsfest der Germanen einmal entstanden war.
Bis vor wenigen Jahrzehnten war das Aufschichten und Abbrennen des Osterfeuers reine Männersache. Heute ist es ein Fest für alle, nicht zuletzt für die Kinder, die am Ende in der heruntergebrannten Glut Kartoffeln rösten dürfen.
Das Holz für das Osterfeuer wird meist im Wald gesammelt. Vielleicht hat aber auch jemand noch Holz, das er auf diese Weise gut loswerden kann. Besonders glücksbringend soll gestohlenes Holz sein. Bis heute gibt es dafür ein Gewohnheitsrecht, ein sogenanntes „Stehlrecht“, das den ertappten Dieb von jeder Strafe freistellt.
Zuoberst auf den Holzhaufen stellt man manchmal alte Bienenkörbe, deren Wachs das Feuer besonders schüren soll, sowie eine kleine, mit bunten Ostereiern und Bändern geschmückte Tanne. Diese ist, wie das Feuer selbst, das die Germanen als Abbild der Sonne verstanden, ein Sinnbild des Lebens.
Steht der Holzhaufen endlich in Brand, bedeutet der weithin sichtbare Schein des Feuers Glück für alle, die ihn erblicken.
Früher glaubte man, daß alle Häuser, die noch vom Feuerschein erfaßt würden, vor Brandgefahr und ihre Bewohner vor Krankheit geschützt seien.
Glück bedeutete auch der Sprung über das Feuer. Liebespaare sprangen Hand in Hand darüber, weil ihnen das eine lange gemeinsame Zukunft bescheren sollte. Junge Bauern wagten den Sprung in der Hoffnung auf eine reiche Ernte.
Aber wehe dem, der bei einem solchen Sprung stürzte! Ihm sagte man den Tod noch in demselben Jahr voraus. Um das Unglück abzuwenden oder zu mindern, konnte da höchstens noch die Asche des Osterfeuers helfen. Wer sich damit das Gesicht schwärzte, zog Glück und Gesundheit für ein ganzes Jahr auf sich.
Heute hält kaum jemand mehr diese Überlieferung für wahr. Das Abbrennen eines Osterfeuers ist ein Fest, eine schöne Gelegenheit, Freunde zu treffen und miteinander Spaß zu haben.
Karin Jäckel, Das große Osterbuch © Loewes Verlag, Bindlach