Willkommen in meiner WG!

David studiert an der Universität Passau Sprachen-, Wirtschafts- und Kulturraumstudien. Diesmal schreibt er über seine Wohnung.

Herzlich Willkommen! Ja, bitte, immer herein in die gute Stube! Darf ich euch mal meine Wohnung zeigen?

Von außen hattet ihr vielleicht noch nicht so einen guten Eindruck. Das Hochhaus, in dem ich wohne, ist hässlich gelb, und der einzige Farbfleck ist die Deutschland-Fahne im 6. Stock. Ja, die hab´ ich wegen der Weltmeisterschaft aufgehängt. Nun gut, aber jetzt kommt erst mal rein. Wir sind eine nette Studenten-WG. Was eine WG ist? WG ist die Abkürzung für Wohn-Gemeinschaft. So leben viele Studenten in Deutschland. Man teilt sich mit mehreren Leuten eine Wohnung, aber jeder hat ein eigenes Zimmer und damit eine eigene Privatsphäre.

Wenn wir jetzt den Flur entlang gehen, ist rechts das Zimmer von Jonathan. Er hat in unserer Wohnung den meisten Platz. Direkt daneben ist mein Zimmer. Ich habe auf 15 Quadratmetern einen sehr großen Schreibtisch, einen Bücherschrank und einen Kleiderschrank. Mein Bett besteht nur aus einer Matratze, die ich tagsüber immer an die Wand stelle, damit ich mehr Platz habe. Noch eine Tür weiter im Flur auf der rechten Seite ist das Zimmer von Manuel, meinem dritten Mitbewohner. Wir haben ein gemeinsames Bad mit Badewanne, Dusche und Waschmaschine. Das Bad ist zwar ziemlich alt, mit schrecklichen grünen Fliesen, aber dafür gibt es dort genug Platz. Daneben ist die Toilette und die nächste Tür, das ist unsere Küche. Hier essen wir abends manchmal zusammen. Zu Mittag essen wir meistens in der Uni-Mensa, und morgens muss jeder zu unterschiedlichen Zeiten aus dem Haus, so dass wir uns nur selten zwischen Marmelade und Nutella treffen.

Das Spannendste an unserer Küche ist wohl der Zettel, der über der Spüle hängt. Eine Liste mit vielen kleinen Strichen und einigen Zeichnungen. Da darf man in der jeweiligen Spalte einen Strich machen, wenn man das Geschirr abgewaschen, den Boden gefegt, den Müll weggebracht oder die Toilette geputzt hat. So hat man immer eine Übersicht, wer fleißig und wer faul war – und wer sich in Zukunft deswegen mehr ins Zeug legen[1] muss. Ich glaube, dieser Zettel, der die Verteilung der Hausarbeit bestimmt, ist typisch für Studenten-WGs bei uns in Deutschland. Die ausländischen Studenten lächeln oft darüber. Aber – Ordnung muss sein, auch in einem „Studentenhaushalt“!

Unser schönstes Zimmer ist das Wohnzimmer. Es ist mit gut 30 Quadratmetern ziemlich groß. Die drei Sofas und zwei Sessel haben wir alle billig von anderen Studenten gekauft. Die Südfenster lassen den ganzen Tag viel Sonne herein. Wir haben auch einen kleinen Balkon, auf dem man in der Sonne sitzen kann und lesen, lernen oder schreiben.

Jeder von uns zahlt etwa 200 Euro im Monat. Das ist nicht zu viel. Der Durchschnitt liegt bei 250 Euro, denn in größeren Städten sind die Mieten viel teurer. Rund 20 Prozent der Studenten leben in einer WG, genauso viele wohnen noch bei ihren Eltern oder allein. Etwas mehr als ein Fünftel aller Studenten wohnen mit ihren Partnern zusammen, und etwas weniger wohnen in Studentenheimen der Universitäten.

Natürlich gibt es auch hin und wieder Probleme, aber wir haben es bisher immer geschafft, uns zu einigen. Vielleicht hat dabei auch geholfen, dass wir drei uns schon kannten, bevor wir zusammengezogen sind. Aber viele Studenten ziehen auch mit Unbekannten in eine WG ein und hoffen dann, dass sie sich schon irgendwie mit den anderen verstehen werden. Das klappt aber nicht immer, und dann findet man zwei Monate nach Semesterbeginn Bekanntmachungen an der Uni: „Tausche WG-Zimmer“.

Der Artikel erschien in „Der Weg“ 3/2006

 

[1] ins Zeug legen: sich viel Mühe geben