Mein Studium: Wie alles begann ***

So viel hatte ich noch nie gelernt – aber dann hatte ich es endlich geschafft: In meinen Händen hielt ich vier Seiten Papier mit vielen Zahlen, jede einzelne mit viel Mühe erarbeitet, mein Abiturzeugnis. Vorher hatte ich gedacht, wenn ich die Abiturprüfungen erst einmal hinter mich gebracht hätte, dann wäre das Schlimmste vorbei. Aber das war ein Irrtum! Mit dem Abiturzeugnis ging das Arbeiten erst so richtig los. Jetzt konnte ich mich um ein Studium an einer Universität in Deutschland bewerben.

Ein großes Angebot

Doch als ich mich auf die Suche nach einem Studienplatz machte, wurde ich von dem großen Angebot überrascht: So viele verschiedene Studiengänge, so viele Universitäten, so viele Abschlüsse! Insgesamt 9156 mögliche Studiengänge an mehr als 150 Universitäten und privaten Fachhochschulen bieten sich an. Bei A wie Abfallwirtschaft könnte ich etwas über Müllverbrennung und Müllrecycling lernen, bei Z wie Zahnarzt anderen Menschen auf den Zahn fühlen. Aber auch bei den Buchstaben dazwischen gab es viele interessante Studiengänge. Zum Beispiel Bioinformatik. Hier versucht man, in der Natur Kommunikationssysteme oder Entscheidungsfindungen zu beobachten, die helfen können, Computer schneller und intelligenter zu machen. Oder auch Materialwissenschaften, wo man neue Kunststoffe erfindet.

Für die meisten Studiengänge muss man sich bei der entsprechenden Universität selber bewerben. Ausgewählt wird danach, wie gut das Abiturzeugnis ist. Nur für einige wenige Fächer wie Biologie oder Medizin muss man sich bei der „ZVS“ bewerben, der „Zentralen Vergabestelle für Studienplätze“, die teilt dem Bewerber dann eine Uni irgendwo in Deutschland zu, an der er studieren kann.

Viele Stunden habe ich im Internet rumgesurft[1]. Das bedeutet: Informationen über Studiengänge lesen, Fotos von Universitäten ansehen und natürlich immer überlegen, ob mein Abiturzeugnis gut genug ist für diesen oder jenen Studiengang.

Die Entscheidung ist gefallen

Schließlich hatte ich mich im Juni entschieden und einigen Universitäten meine Bewerbungsbriefe geschickt. Entweder wollte ich in der Nähe von Hamburg Journalistik studieren, oder bei Berlin Geschichte und Politik oder in Passau einen ganz exotischen[2] Studiengang ausprobieren: Sprachen, Wirtschafts- und Kulturraumstudien[3].

Die folgenden Wochen war ich natürlich ziemlich aufgeregt. Jeden Tag rannte ich zum Briefkasten, weil ich die Antworten von den Universitäten erwartete. Dann kamen sie: Hamburg wollte mich nicht, aber Berlin und Passau haben meine Bewerbung angenommen und mir einen Platz angeboten. Nun musste ich wieder neu überlegen: Ich fand den Studiengang in Passau zwar viel spannender, aber Passau liegt ganz im Süden Deutschlands, und ich wohne ganz im Norden. Viele Stunden Autofahrt liegen dazwischen, außerdem komme ich aus der Großstadt, und Passau ist eine Kleinstadt im Bayrischen Wald, wo die Menschen ein sehr bayrisches Deutsch reden, dass ich vielleicht kaum verstehe. Und dann sagen sie statt „Hallo“ lieber „Grüß Gott!“ und statt „Tschüss“ sagt man da unten „Pfuedi!“. Für mich als Hamburger war Bayern immer so weit weg, dass ich es manchmal aus Spaß „Sibirien“ genannt habe. Und dort sollte ich jetzt studieren? Einige Zeit habe ich überlegt, aber dann nahm ich all meinen Mut zusammen und entschloss mich, tatsächlich in Passau zu studieren, bei den Bayern!

Nächstes Mal verrate ich, was man als „Neuer“ an einer deutschen Uni beachten muss, warum die Uni mein Portemonaie dick machte und was ein „Quietschie“ ist.

David

Der Artikel erschien in „Der Weg“ 1/2005

 

[1] herumsurfen: sich im Internet bewegen und verschiedene Webseiten ansehen
[2] exotisch: (eigentl.) aus einem ganz fernen Land (stammend) und deshalb fremd oder geheimnisvoll wirkend – hier: ausgefallen, ungewöhnlich
[3] der Kulturraum: Gebiet einer einheitlichen Kultur; mehr Informationen über diesen Studiengang in einem späteren Artikel